Wenn das Wörtchen „wenn“ nicht wär’… Die Ideen rund um das Bürgergeld mögen mehrheitlich gut sein, zumindest gut gemeint. Sie lassen sich teils aber nur schwer bis gar nicht umsetzen. Das gilt etwa für die Qualifizierung, der man mehr Aufmerksamkeit schenken möchte. Dem steht entgegen, dass es in Deutschland kein einheitliches Weiterbildungssystem gibt und in den Behörden derzeit akute Finanznot herrscht. Keine besonders guten Voraussetzungen also.
Es hapert beim Fördern
Während das Fordern beim Bürgergeld nach wie vor bestens funktioniert, die Süddeutsche Zeitung spricht gar von einem Sanktionsregime, wird das Fördern mit den neu formulierten Zielen rund um Aus- und Weiterbildung zur Herausforderung. Denn die Ideen fallen auf einen Boden, der dafür gar nicht vorbereitet ist. Man hat sich festgefahren. Im Vergleich zum Vorjahr nahmen im März sogar 38.000 Bürgergeld Bedürftige weniger an Maßnahmen teil.
Das Weiterbildungssystem ist zerklüftet
Dass Weiterbildung und Qualifizierung Vorteile mit sich bringen, gerade für Betroffene, ist auch aus Expertensicht unbestritten. Als Problem erweist sich allerdings das Weiterbildungssystem an sich. Darauf verweist Wolfgang Schroeder, Politikwissenschaftler an der Universität Kassel, im Gespräch mit der SZ. Maßnahmen würden zwar von allen Seiten angeboten.
„Aber man weiß nicht, was drinsteckt“,
sagt er. Ähnlich argumentiert Thomas Kruppe vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Das System sei zu zerklüftet.
25.000 Träger
Angesichts von 25.000 Trägern innerhalb der Weiterbildungslandschaft falle es schwer, den Überblick zu behalten. Hinzu kommen 220 bundesrechtlich organisierte Fortbildungsordnungen, plus landesrechtliche Bestimmungen sowie 2.600 Regelungen von Industrie-, Handels- und Handwerkskammern. In einer für die Heinrich-Böll-Stiftung verfassten Studie aus dem Jahr 2019 sprechen Schroeder und Kruppe von Strukturlosigkeit.
Ziele nur schwer umsetzbar
Das Ziel müsse lauten, so die Experten, die berufliche Weiterbildung als vierte Säule neben Schule, Ausbildung und Hochschule zu etablieren. Weil es jedoch zu viele Akteure gebe, sei dies schwer umsetzbar, gesteht die Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit (BA), Andrea Nahles. Ihre Behörde erstellt gerade eine Weiterbildungsplattform mit allen Angeboten für Bürgergeld Bedürftige.
Fallmanager müssten sich qualifizieren
Damit die BA eine bessere Förderung anbieten kann, braucht es jedoch Geld und – was oft übersehen wird – Veränderungen in den Jobcentern. Wolfgang Schroeder nennt das Problem beim Namen:
„Auch die Fallmanager müssen sich qualifizieren.“
Das gestaltet sich ebenfalls schwierig. Weil 104 der 405 Jobcenter kommunal geführt werden, habe die BA dort keinen Einfluss auf die Umsetzung des Bürgergelds, weiß Andrea Nahles. Und auch in den übrigen Jobcentern säßen Mitarbeiter der Kommunen. Selbst wenn die Bundesagentur Schulungen anbiete, seien diese freiwilliger Natur und könnten nicht von oben verordnet werden.
Die finanziellen Mittel fehlen
Weiterbildung zu forcieren, stellt aus Sicht von Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer von drei bayerischen Wirtschaftsverbänden und Mitglied im Verwaltungsrat der (BA) eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe dar. Sie droht jedoch am Geld zu scheitern. Darauf macht Jessica Tatti, arbeitsmarkt- und sozialpolitische Sprecherin der Fraktion „Die Linke“, aufmerksam. Sie moniert: Die Bundesregierung habe die Verwaltungsmittel der Jobcenter nicht erhöht.
Minus von einer Milliarde Euro
„Bereits im letzten Jahr gab es ein Minus von einer Milliarde Euro“, schreibt Tatti. Ausgeglichen worden sei das Defizit aus dem Topf für Weiterbildungen. Daraus resultierten weniger Qualifizierungen und im Vergleich zum Vorjahr rund 44 Prozent weniger geförderte Arbeitsplätze für Langzeitarbeitslose. Das Bürgergeld drohe zu scheitern, wenn nicht mindestens 1,5 Milliarden Euro nachgeschossen würden.
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