Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen hat entschieden, dass Bürgergeld-Leistungen zurückgefordert werden können, wenn ein Leistungsempfänger Einkünfte aus einer Schöffentätigkeit nicht ordnungsgemäß meldet. In dem Fall ging es um einen Bauingenieur aus Hannover, der seit 2012 Bürgergeld-Leistungen bezieht und ab 2014 als Schöffe – ehrenamtlicher Richter – tätig war, ohne diese Einkünfte dem Jobcenter mitzuteilen. (Az.: L 11 AS 75/21)
Schöffeneinkünfte nicht angegeben
Der Kläger hatte für seine Tätigkeit als Schöffe – ehrenamtlicher Richter – am Landgericht Hannover Verdienstausfallentschädigungen für die Jahre 2015 und 2016 erhalten, die sich auf rund 2.800 Euro beliefen. Diese Einkünfte meldete er jedoch nicht dem Jobcenter. Gleichzeitig gab er gegenüber dem Landgericht an, als Bauingenieur ein monatliches Einkommen von 3.500 Euro zu erzielen, was zur Berechnung der Verdienstausfallentschädigungen herangezogen wurde.
Jobcenter forderte Rückzahlung
Nachdem das Jobcenter von den Zahlungen erfuhr, setzte es eine Rückforderung von rund 800 Euro fest. Diese Forderung beruhte auf der Anrechnung der Verdienstausfallentschädigungen als Einkommen, wobei der monatliche Freibetrag von 200 Euro gemäß § 11b Abs. 2 SGB II berücksichtigt wurde. Der Kläger legte gegen diese Entscheidung Widerspruch ein und argumentierte, dass ihm ein Jahresfreibetrag von 2.400 Euro zustehe, den er im Rahmen eines Beratungsgesprächs genannt bekommen habe. Zudem berief er sich auf Vertrauensschutz, da er dem Jobcenter mitgeteilt habe, möglicherweise als Schöffe tätig zu werden.
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Sozialgericht wies Klage ab
Nach der Ablehnung des Widerspruchs erhob der Kläger Klage vor dem Sozialgericht Hannover. Dieses wies die Klage im Januar 2021 ab. Das Gericht entschied, dass der monatliche Freibetrag von 200 Euro nach § 11b Abs. 2 SGB II korrekt angewandt worden sei. Der Kläger legte daraufhin Berufung vor dem Landessozialgericht ein.
Landessozialgericht bestätigt Jobcenter
Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen entschied nun in der Berufungsinstanz und wies die Berufung des Klägers ebenfalls zurück. Das Gericht betonte, dass nach dem Gesetzeswortlaut der § 11b Abs. 2 SGB II nur einen monatlichen Freibetrag von 200 Euro vorsieht und kein Jahresfreibetrag von 2.400 Euro anzuwenden sei. Ein solcher Freibetrag wurde erst 2023 im Rahmen des Bürgergeldgesetzes eingeführt.
Das Gericht stellte außerdem klar, dass der Kläger seinen Mitteilungspflichten nicht nachgekommen sei. Die allgemeine Auskunft, dass er „vielleicht irgendwann“ als Schöffe tätig werden könnte, reiche nicht aus. Zudem sei aus den Dokumenten des Jobcenters kein Nachweis ersichtlich, dass dem Kläger in einem Beratungsgespräch ein Jahresfreibetrag von 2.400 Euro zugesichert worden sei.
Grobe Fahrlässigkeit durch unvollständige Angaben
Das Gericht bewertete das Verhalten des Klägers als grob fahrlässig. Besonders ins Gewicht fiel, dass er in seinen Weiterbewilligungsanträgen mehrmals handschriftlich vermerkt hatte, dass es „keine Änderungen“ gebe, obwohl er die Verdienstausfallentschädigungen bereits erhalten hatte. Diese Angaben waren in den Anträgen entscheidend für die Berechnung der Grundsicherungsleistungen. Seine falschen oder unvollständigen Informationen führten dazu, dass das Jobcenter weiterhin die vollen Leistungen bewilligte, obwohl der Kläger tatsächlich geringere Ansprüche hatte.
Darüber hinaus hatte der Kläger gegenüber dem Landgericht seine Tätigkeit als Bauingenieur und das damit verbundene Einkommen von 3.500 Euro angegeben, was zur Berechnung der Verdienstausfallentschädigung diente. Diese Angaben standen im Widerspruch zu seinen Anträgen auf Bürgergeld, in denen er die Schöffeneinkünfte verschwiegen hatte.
Kein Vertrauensschutz bei unvollständigen Angaben
Das Landessozialgericht stellte abschließend fest, dass sich der Kläger nicht auf Vertrauensschutz berufen könne. Eine allgemeine Beratung entbinde ihn nicht von seiner Pflicht, dem Jobcenter konkrete Änderungen seiner finanziellen Situation mitzuteilen. Der Kläger habe grob fahrlässig gehandelt, indem er die Verdienstausfallentschädigungen nicht gemeldet habe, obwohl ihm die Pflicht zur Mitteilung von Einkünften bekannt sein musste.
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