Mehr Druck auf Bürgergeld Bedürftige, und schon sind alle Probleme gelöst. Das scheint in der Politik inzwischen ein universelles Mittel zu sein – auch, um bei Wählern zu punkten. Ein Paradebeispiel dafür sind die jüngsten Äußerungen des Bayerischen Wirtschaftsministers Hubert Aiwanger von den Freien Wählern. Auf Twitter schlägt er vor, arbeitsfähigen Personen künftig kein Bürgergeld mehr zu bezahlen. Sein „Rezept“ gegen den Mangel an Fachkräften kommt allerdings nicht gut an.
Sündenbock für den Arbeitskräftemangel
„Bürgergeld darf nicht mehr für Arbeitsfähige ausbezahlt werden, sonst bekommen wir den Arbeitskräftemangel nie in den Griff, selbst wenn noch so viele Menschen einwandern. Der Personalmangel verschärft sich sogar, weil auch diese Menschen betreut/versorgt werden müssen“,
schreibt der stellvertretende Ministerpräsident auf Twitter. Besonders traurig daran: Über 3.100-mal wurde der „gefällt mir“-Button gedrückt.
Abgrundtief unmenschlich
Es überwiegen jedoch die kritischen Stimmen. Sie reichen von „populistischer Müll“ über „Aufruf zu Zwangsarbeit“ bis hin zu „abgrundtief unmenschlich und ethisch fragwürdig“. Dabei belegt die Aufforderung, Betroffenen das Bürgergeld zu streichen, letztlich nur eines: Unwissenheit. Auch darauf wird in vielen Kommentaren hingewiesen. #IchBinArmutsbetroffen erklärt: „Dieser Vorschlag […] beweist außerdem, dass sie überhaupt keine Ahnung haben.“
Alle über einen Kamm geschoren
Wie absurd und weltfremd die Idee von Hubert Aiwanger ist, beweist eine simple Überlegung: Was ist mit jenen, die ihre Arbeit verloren haben und dann altersbedingt nicht direkt wieder einen Job finden? Laut Aussage des Bayerischen Wirtschaftsministers wären die Betroffene arbeitsfähig und müssten dann mit Bürgergeld Entzug bestraft werden. Gleiches gilt für alle, die ihre Eltern pflegen, die Kinder erziehen oder krank sind.
Zwangsarbeit und Bürgergeld-Kürzung
Damit reiht sich der Vorschlag nahtlos in die lange Liste der Optionen ein, wie man Bürgergeld Bedürftige noch weiter entwürdigen und das Sozialstaatsprinzip aushebeln kann. Die CDU will das Bürgergeld kürzen, die AfD spricht sich für Zwangsarbeit aus und die FDP frohlockte innerlich, als die geplanten Lockerungen bei der Sozialreform langsam aber sicher wieder scharf gefeilt wurden.
Unwissenheit und Doku-Wahrheiten
Statt sich auch nur einmal ernsthaft mit den Menschen zu befassen, die auf das Bürgergeld oder generell Hilfe vom Staat angewiesen sind, wird die eigene selektive Wahrnehmung für bare Münze verkauft. Und die ist nicht etwa von Wissen oder eigenen Erfahrungen geprägt, sondern von bierseligen Stammtischdebatten sowie Hartz IV und Bürgergeld Dokus. Deren „Wahrheit“ passt auch eher zu dem, was die Wähler hören wollen.