Arm sein. Diese Umschreibung ist so abstrakt, dass man sie meist nur in nackte Zahlen fasst. Mit so vielen Euro auf dem Konto bist Du reicht, mit weniger Geld arm – etwa, weil nur das Bürgergeld zur Verfügung steht. Doch was heißt das? Für viele ist es schlicht gleichbedeutend damit, sich nicht das neueste Smartphone leisten oder nicht in den Urlaub fahren zu können. Dabei ist und macht Armut weit mehr. Sie ist eines der größten Gesundheitsrisiken unserer Zeit und damit längst ein gesamtgesellschaftliches Problem.
14,2 Millionen Menschen sind arm
Der Paritätische Gesamtverband veröffentlicht Jahr für Jahr den Armutsbericht. 2024 schreibt der Sozialverband in der Überschrift seiner Pressemitteilung „14,2 Millionen Menschen von Armut betroffen“. Allein diese Zahl – beinahe schon eine Dimension – sollte jeden hellhörig werden lassen. Denn es geht um nicht weniger als 16,8 Prozent aller Menschen in Deutschland, die in bitterer Armut leben. Fast jeder Fünfte. Weshalb Bürgergeld Kritiker nach wie vor behaupten, es gebe in Deutschland keine Armut, ist daher nur schwer nachvollziehbar.
Der Rattenschwanz hinter der Armut
Die Zahl an sich ist schon erschreckend. Doch erst der Rattenschwanz dahinter zeigt, wie tief sich das Geschwür Armut in die Gesellschaft frisst. Die Wissenschaftsjournalistin Annika Franck hat zusammen mit Moderator Sebastian Sonntag für „Quarks“ über das Thema Armut gesprochen, dazu einen Jungen aus einer Bürgergeld Familie zu Wort kommen lassen, einen Arzt, der Menschen ohne Krankenversicherung behandelt, und die Verantwortliche der Arche in Köln-Ehrenfeld. Thema der Sendung: „Arm oder reich – Was das für deine Gesundheit bedeutet.“
Schlechtere Lebenserwartung
Der Beitrag stammt zwar aus dem Jahr 2023, hat an Aktualität aber nichts verloren. Die Zahl derer, die in Deutschland arm oder armutsgefährdet sind, mag schwanken. Am Umstand, dass Armut krank macht, ändert sich dadurch nichts. Dazu bemüht die Journalistin eine Reihe von Studien. Besonders deutlich werden die Folgen von Armut demnach bei der Lebenserwartung.
„Arme Frauen sterben mehr als vier, arme Männern mehr als sechs Jahre früher als Menschen, die mehr Geld haben“,
so Annika Franck. Überdies seien es bei Frauen zehn und bei Männer 14 Jahre, die sie dank Armut in einer schlechten gesundheitlichen Verfassung leben.
Ein gesundes Leben muss man sich leisten können
Warum das so ist, lässt sich nicht an einigen wenigen Aspekten festmachen. Nur einer von vielen Punkten: Dass Armut sich in chronischen Erkrankungen, Herzinfarkten, Diabetes, Schlaganfällen und auch Depressionen widerspiegelt, liegt unter anderem daran, dass Menschen, die wenig verdienen, oft schwer körperlich arbeiten müssen. Ärmere treiben auch weniger Sport, können sich seltener oder gar kein Obst und Gemüse leisten, nehmen weniger Vorsorgeuntersuchungen wahr und rauchen öfter. Unter dem Strich gilt für Betroffene:
„Man muss sich ein gesundes Leben auch leisten können.“
Das gilt etwa für den Besuch im Fitnessstudio oder Erholung.
Armut sorgt für Stress
Hinzu kommt, dass ärmere Menschen oft in schlechteren Wohngebieten leben, mit viel Luftverschmutzung und Lärm. Das und die ständige Sorge ums Geld führen zu Stress. Oder anders ausgedrückt: Armut ist Stress. Das wirkt sich, so die Journalistin, so weit aus, dass Armut sogar die Aktivität der Gene verändert. Davon sind schon Kinder betroffen. Sie fühlen sich benachteiligt und damit als Außenseiter. „Das macht etwas mit Kindern“, wissen die Verantwortlichen in der Arche Köln-Ehrenfeld. Bereits bei Säuglingen zeigt sich in einem armen Umfeld eine schlechtere Hirnentwicklung.
Vor allem aber: Armut vererbt sich. Diesen Kreislauf müsse man durchbrechen, sagen die Sozialarbeiter der Arche. Denn ob Bürgergeld Familie oder Geringverdiener: Meist fehlt das Geld, um die Potenziale der Kinder auszuschöpfen.
Gefahr für das Gesundheitssystem
Die Problematik Armut und Gesundheit sollte der Politik eigentlich hinlänglich bekannt sein. Schließlich warnt sogar das Robert Koch-Institut davor, dass Armut eine der großen Herausforderungen für das Gesundheitssystem darstellt. Trotzdem passiert nichts. Schon auf Studien, die belegen, dass mit dem Bürgergeld keine gesund erhaltende Ernährung möglich ist, wurde lediglich mit dem Hinweis reagiert, Betroffene könnten nicht richtig einkaufen. Vielleicht wäre es an der Zeit, dass sich die Ampel den Hinweis von Annika Franck zu Herzen nimmt:
„Alle haben etwas davon, wenn Menschen gesund sind.“
Das ist eine ethisch-moralische Frage in einem der wohlhabendsten Länder der Welt.
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