Große Sprünge sind mit dem Bürgergeld nicht möglich. Und das, obwohl die Berechnung teilweise auf neuen Regeln beruht. Für einen Single steigt der Regelsatz (Regelbedarfsstufe 1) im kommenden Jahr von 449 um 53 Euro auf 502 Euro. Dieser vergleichsweise große Sprung um 11,8 Prozent ist in erster Linie der Inflation geschuldet. Da sich die Teuerung Prognosen zufolge auf einem niedrigeren, gleichwohl hohen Niveau einpendeln wird, dürften die nächste Fortschreibungen wieder eher kläglich ausfallen.
Plus drei Euro von 2021 zu 2022
Wie das dann aussehen könnte, hat der Wechsel vom vorigen zu diesem Jahr eindrucksvoll gezeigt: Volle drei Euro mehr erhalten Hartz IV Bedürftige in der Regelbedarfsstufe 1 seither (449 statt 446 Euro). Das ist einer der Gründe, warum der Sozialverband Deutschland und der Sozialverband VdK Klage eingereicht haben. Sie halten die Anpassung für nicht verfassungsgemäß.
Verfassungswidrig: Sozialverbände klagen gegen zu geringen Hartz IV Regelsatz
Hartz IV: So wird jetzt gerechnet
Ob das auch für die neue Berechnungsgrundlage beim Bürgergeld gilt, wird sich zeigen. Die Fortschreibung erfolgt künftig in zwei Schritten. Für Hartz IV wurden die Werte für die Teuerung – konkret die regelbedarfsrelevante Preisentwicklung – und die Lohnentwicklung vom 1. Juli 2020 bis zum 30. Juni 2021 mit den denen aus dem Zeitraum 1. Juli 2021 bis 30. Juni 2022 gegenübergestellt.
Schritt eins: Teuerung und Lohnentwicklung
Bei der Preisentwicklung stand ein Plus von 4,7 Prozent, beim Lohn von 4,16 Prozent zu Buche. Laut Mischkalkulation (30 Prozent Lohn und 70 Prozent Teuerung) ergibt sich ein Wert von 4,54 Prozent. Bezogen auf den bisherigen Regelsatz hätte man 2023 normalerweise 469,38 Euro gezahlt.
Schritt zwei: die ergänzende Fortschreibung
Zusätzlich greift jetzt der neue § 28a Abs. 4 SGB II, der im Rahmen des Bürgergeld-Gesetzes als Änderung zum SGB II eingeführt wird und die „ergänzende Fortschreibung“ regelt. Maßgeblich ist demnach
„die bundesdurchschnittliche Entwicklung der Preise für regelbedarfsrelevante Güter und Dienstleistungen in dem Dreimonatszeitraum vom 1. April bis zum 30. Juni des Vorjahres gegenüber dem gleich abgegrenzten Dreimonatszeitraum des Vorvorjahres“.
Urteil: 449 € Hartz IV trotz Inflation nicht unzureichend
Interessant: Denn Bundeskanzler Olaf Scholz hatte noch von einem Paradigmenwechsel gesprochen, da man sich an der bevorstehenden Inflationsrate orientieren wollte. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sprach im September in einem Interview mit der „taz“ schließlich davon, dass die Regelsätze ab 2023 die aktuelle Preissteigerung abbilden. Also nichts mehr mit vorausschauend.
Zusätzlich 6,9 Prozent
Zurück zu den Zahlen. Laut Berechnung für 2023 ist der Preisindex vom zweiten Quartal 2022 zum zweiten Quartal 2021 um 6,9 Prozent gestiegen. Dieser Wert wird auf das Ergebnis des ersten Berechnungsschritts angewandt, also auf 469,38 Euro – wir haben berichtet. Das Ergebnis: Durch die Berücksichtigung der aktuellen Inflation steigt der Regelsatz um weitere 32,38 Euro auf dann gerundet 502 Euro.
Hartz IV Nachfolge: Bürgergeld soll 502 Euro betragen
Der Blick nach vorne
Doch was passiert, wenn die Inflation nicht dauerhaft auf einem derart hohen Niveau bleibt? Im zweiten Quartal 2022 lag die allgemeine Teuerung im April bei 7,4 Prozent, im Mai bei 7,9 Prozent und im Juni bei 7,6 Prozent, macht einen Schnitt von 7,6 Prozent. Die Prognosen für 2023 gehen von 5,7 Prozent (Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK)) bis 7,0 Prozent (Bundesregierung) aus.
Das hieße: Ausgehend von 7,6 Prozent im zweiten Quartal in diesem Jahr und 7 Prozent im kommenden Jahr hätte man eine negative Entwicklung: minus 7,89 Prozent. Wird dann Geld vom ersten Berechnungsschritt abgezogen oder wie soll dann verfahren werden?
Mühsam ernährt sich das Eichhörnchen
Aufgrund der hohen Inflation in diesem Jahr und der rückwirkenden Anpassung kann man für 2024 zunächst einmal von einem etwas größeren Schritt bei der Grundsicherung ausgehen. Pendelt sich die Teuerung ein, geht es jedoch wieder nur in kleinen Schritten voran. Bis man die von Experten als nötig erachteten 680 Euro Regelsatz erreicht, braucht es also noch ein paar Jahre.
Bild: Sven Boettcher/ shutterstock.com