Wer die Hilfebedürftigkeit selbst herbeigeführt hat, erhält keine Hartz IV Leistungen, so urteilte das Bayerische Landessozialgericht noch im Jahr 2008. Nun steht ein Urteil des Bundessozialgerichts diesem jedoch gegenüber: Wer auf Grund des selbstverschuldeten Verlustes eines Ausbildungsplatzes in die Hilfebedürftigkeit rutscht, hat Anspruch auf Hartz IV.
Keine Ersatzansprüche bei verlorenem Ausbildungsplatz
Dass Hilfebedürftige, die ihr Vermögen blindlinks verzocken, keinen Hartz IV Anspruch haben, ist spätestens durch ein Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts bekannt (Az.: L 16 AS 149/08). Wer jedoch, durch einen verlorenen Ausbildungsplatz Hartz IV Leistungen benötigt, stehen diese auch zu. In einem Urteil vom 29.08.2019, entschied das Bundessozialgericht (BSG), dass ein selbstverschuldet verlorener Ausbildungsplatz nicht die Rückforderung bereits gezahlter Hartz IV Leistungen rechtfertige (Az.: B 14 AS 49/18 R).
Weniger Hartz IV wegen pflichtwidrigen Verhaltens
Hintergrund des Urteils war die Klage eines jungen Mannes aus Gelsenkirchen. Der Mann nahm ab seit Oktober 2014 an einer außerbetrieblichen Berufsausbildung teil und erhielt im Juni 2015 die Kündigung seitens des Ausbildungsträgers. Der Grund: Er habe zu oft gefehlt. Das zuständige Jobcenter bewilligte ihm ab Juli 2015 um 30 Prozent verminderte Hartz IV Leistungen, da er sich auf Grund der vielen Fehlzeiten gemäß § 31 Abs 2 Nr 4 SGB II pflichtwidrigen Verhaltens schuldig gemacht hätte.
Jobcenter fordert Geld zurück
Wenig später verlangte das beklagte Jobcenter im Rahmen von Ersatzansprüchen bei sozialwidrigem Verhalten gemäß § 34 SGB II die gezahlten Hartz IV Leistungen gänzlich zurück. Der Mann habe die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses und damit die Hilfebedürftigkeit selbst verschuldet. Die geforderten Ersatzansprüche beliefen sich insgesamt auf 2.968,51 Euro für den Zeitraum von Juli bis Dezember 2015. Laufende Leistungen ab April 2016 in Höhe von 121,20 Euro monatlich sollten dagegen aufgerechnet werden.
BSG urteilt im Sinne des Klägers
Der junge Mann entschied sich gegen die Forderungen des Jobcenters Hartz IV Klage zu erheben. Mit Erfolg: Das Bundessozialgericht entschied letztendlich in dritter Instanz in seinem Sinne. Gemäß Urteil des BSG könne nicht belegt werden, dass der Kläger es durch häufiges Fehlen auf den Verlust seines Arbeitsplatzes angelegt habe. Dementsprechend könne ein sozialwidriges Verhalten nicht zweifellos nachgewiesen werden.
Vorinstanzen:
Sozialgericht Gelsenkirchen, Urteil v. 23.05.2017, Az.:S 44 AS 1057/16,
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 11.10.2018, Az.: L 7 AS 1331/17
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