Auf Hartz IV Sanktionen zu verzichten, hält der scheidende Chef der Bundesagentur für Arbeit (BA), Detlef Scheele, für falsch. In einem Interview mit dem „Handelsblatt“ übt er daher heftige Kritik an den Entscheidungen der Bundesregierung. Das betrifft nicht nur die Sanktionen, die jetzt für ein Jahr weitgehend ausgesetzt werden, sondern auch die Überlegungen zu den neuen Regelsätzen beim Bürgergeld.
Urteil des Bundesverfassungsgerichts
Der Hauptgrund dafür, dass die Bundesregierung ein Moratorium für Hartz IV Sanktionen auf den Weg gebracht hat, ist ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes (Az. 1 BvL 7/16) aus dem Jahr 2019. Die Richter in Karlsruhe hatten die Regeln, wonach Kürzungen des Regelsatzes auch über 30 Prozent möglich waren, kritisiert und eine Neuausrichtung gefordert.
Urteil hätte umsetzt werden sollen
Detlef Scheele bezieht sich bei seiner Einschätzung zum Sanktionsmoratorium auf diesen Entscheid:
„Es wäre besser gewesen, wenn die Regierung das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom November 2019 in Gesetzesform gegossen hätte.“
Das soll jetzt passieren – mit den Erfahrungen aus der Zeit, in der mit wenigen Ausnahmen auf Strafen für Hartz IV Bedürftige verzichtet wird.
Bürgergeld wieder mit Kürzungen
Das Problem, das Detlef Scheele sieht: Wenn nach einem Jahr wieder Kürzungen eingeführt werden, ließe sich das nur schwer kommunizieren. Das würde niemand verstehen.
„Ich möchte kein Jobcenter-Berater sein, der das erklären muss“,
so der BA-Chef.
Hinzu komme, dass bereits jetzt 97 Prozent aller Hartz IV Bedürftigen nicht von Sanktionen betroffen seien, weil sie alle Regeln befolgten. Auch deshalb sei es schade, dass die Diskussion zum Thema Hartz IV sich aktuell nur um die Sanktionen drehe.
Regelsatz beim Bürgergeld
Eine klare Meinung vertritt Detlef Scheele auch zum Bürgergeld bzw. zur Höhe der neuen Regelsätze. Hartz IV plus einen gewissen Aufschlag – aktuell ist von 40 bis 50 Euro die Rede – hält er nicht für sinnvoll. Wo immer möglich, sei es trotz höherer Regelsätze immer besser, arbeiten zu gehen und Tariflohn zu verdienen. „Die Chancen waren jedenfalls selten so gut wie jetzt“, betont der BA-Chef.
Zeitenwende wäre möglich
Leider übersieht er dabei, dass viele Hartz IV Bedürftige aus gesundheitlichen Gründen nicht oder nur eingeschränkt arbeiten können. Weitaus vielversprechender ist der Ansatz, auf den der Nachrichtensender n-tv hinweist. Er könnte eine Zeitenwende im Sozialrecht einläuten – zumindest für viele.
Belohnung statt Strafen
Die Idee ist recht einfach: Bisher hat man sich vor allem auf Hartz IV Strafen versteift. Warum dann nicht auch Belohnungen einführen: Für alle, die sich redlich um Arbeit bemühen, Hilfen annehmen – auch mit Blick auf psychische Probleme – oder eine Ausbildung beginnen.
Es wäre doch spannend, zu sehen, womit man mehr Erfolg hat: Strafen, die Menschen in prekäre Arbeitsverhältnisse treiben, oder echte Anreize, die vielleicht sogar im Traumjob münden.
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