Das könnte peinlich werden – für Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Beide hatten versprochen, Hartz IV werde pünktlich am 1. Januar 2023 durch das neue Bürgergeld ersetzt. In der Theorie mag das funktionieren. Die Bundesagentur für Arbeit (BA) als ausführendes Organ hegt jedoch ernste Zweifel daran, dass der Termin gehalten werden kann. Wahrscheinlicher und vor allen Dingen sinnvoller sei der Bürgergeldstart ab Juli 2023.
Reform steht auf wackligen Beinen
Das Prestigeobjekt der Ampelkoalition steht derzeit noch auf sehr wackligen Beinen. Trotzdem haben die Verantwortlichen direkt einen Termin für die Umsetzung der Hartz IV Reform genannt: den 1. Januar 2023. Das würde einen klaren Schnitt markieren. Offenbar hat man die Rechnung aber ohne den Wirt gemacht.
Grundlagen fehlen noch
Weil die nötigen Grundlagen fehlen, können weder die Bundesagentur für Arbeit noch die zuständigen Jobcenter mal eben von Hartz IV auf ein Bürgergeld umschalten. Das scheitert bereits an der IT. Seitens der Regierung war da offenbar der Wunsch der Vater des Gedankens. Auf die Erklärung darf man gespannt sein.
Hartz IV Bedürftige werden wieder über den Tisch gezogen
Stellungnahme der BA
In einer Stellungnahme der Bundesagentur für Arbeit vom 23.08.2022, die auf der Seite des Bundesarbeitsministeriums veröffentlicht wurde, wird mehr Zeit für die Umstellung von Hartz IV auf das Bürgergeld gefordert. Denn, so die BA:
„Ohne ausreichende Vorlaufzeit kann eine reibungsarme Umstellung zugunsten der Bürgerinnen und Bürger nicht sichergestellt werden.“
Zeitplan kann nicht eingehalten werden
Schon jetzt sei klar, dass der vom Bundesarbeitsminister avisierte Zeitplan der Hartz IV Reform nicht eingehalten werden könne. Zum jetzigen Zeitpunkt ließen sich nicht mehr
„sämtliche Inhalte, IT-Verfahren, Bescheide etc. durch die BA zur Einführung des Bürgergeldes zum 1. Januar 2023“
anpassen.
Sukzessive Anpassung der Systeme
Die Bundesagentur für Arbeit schlägt stattdessen eine sukzessive Anpassung vor, die im Dezember 2022 beginnen soll. Für Hartz IV Bedürftige hieße das, sie erhielten
„im Laufe des Jahres 2023 Bescheide und Vorlagen mit unterschiedlicher Bezeichnung des Gesetzes bzw. der Leistung“.
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Früheste Umsetzung im Juli 2023
Erste neue Funktionen in den IT-Verfahren könnten frühestens ab Juli 2023 umgesetzt werden. Das gelte jedoch nur, wenn keine signifikanten Änderungen am vorliegenden Referentenentwurf zum Bürgergeld vorgenommen würden. Die Einführung erfolge dann über „mehrere Umsetzungstranchen“. Bis das Bürgergeld vollständig implementiert sei, komme es zu manuellen Mehraufwänden in den Einrichtungen. Die entscheidende Aussage:
„Es ist infolge der vorhandenen Kapazitäten davon auszugehen, dass die vollständige Umsetzung der für die IT-Fachverfahren relevanten Anforderungen aus dem Bürgergeld-Gesetz erst im Laufe des Kalenderjahres 2024 erfolgen kann.“
Schulung der Mitarbeiter nötig
Die Technik ist allerdings nur eine Seite der Medaille. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Jobcentern müssen die neuen Bürgergeldregeln ebenfalls verinnerlichen. Schließlich wird eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe versprochen. Bislang scheint es aber noch keine Möglichkeit zu geben, sich darauf vorzubereiten.
In der Stellungnahme weist die BA ausdrücklich darauf hin, dass die Mitarbeiter ausreichend Gelegenheit haben müssten,
„sich intensiv mit den Neuerungen zu befassen und an entsprechenden Qualifizierungsangeboten teilzuhaben.“
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Fazit der BA
Das Fazit der Bundesagentur für Arbeit:
„Eine geordnete Umsetzung der Einführung des Bürgergeld-Gesetzes zum 1. Januar 2023 ist aufgrund der erforderlichen Vorlaufzeiten sowohl für die IT als auch bei den Mitarbeitenden nicht realisierbar. Daher plädiert die BA für eine Einführung des Bürgergeldes zum 1. Juli 2023.“
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