Der gesetzliche Mindestlohn ist zum 1. Januar 2025 von 12,41 Euro um etwa 3,3 Prozent auf 12,82 Euro pro Stunde gestiegen. Diese Erhöhung soll eigentlich dazu beitragen, dass Beschäftigte mehr Geld in der Tasche haben. Für Bürgergeld-Empfänger, die ihren Lohn aufstocken müssen, bleibt der finanzielle Vorteil jedoch aus. Grund dafür sind die unveränderten Anrechnungsregeln, durch die ein Großteil des zusätzlich verdienten Betrages direkt auf die Grundsicherung angerechnet wird und somit nicht zusätzlich im Portemonnaie des Beschäftigten landet.
Hintergrund ist, dass der pauschale Erwerbstätigen-Freibetrag nach § 11b Abs. 3 SGB II ab einem bestimmten Bruttoeinkommen nicht steigt, und zwar:
Bruttoeinkommen | Freibetrag (höchstens) | |
kinderlos | 1.200 Euro | 348 Euro |
mit Kindern | 1.500 Euro | 378 Euro |
Wer bereits im Bürgergeld Bezug über die genannten Bruttobeträge hinaus in 2024 verdient hat, geht bei der Mindestlohn-Erhöhung ab 2025 leer aus, da der komplette Zugewinn durch die Lohnerhöhung vom Jobcenter angerechnet wird. Bei Erwerbstätigen unter 25 Jahren in Schul- oder Berufsausbildung gelten abweichende Regelungen, da sich der Grundfreibetrag dynamisch an der Minijob-Grenze orientiert, die von 538 Euro auf 556 Euro ab 2025 gestiegen ist.
Lesetipp: Bürgergeld und Minijob – so viel bleibt anrechnungsfrei
Viele Erwerbstätige (Bürgergeld Aufstocker) betroffen
Aktuell beziehen rund 770.000 Menschen Bürgergeld, obwohl sie in einem Arbeitsverhältnis stehen – das sind fast 20 Prozent aller erwerbsfähigen Bürgergeld-Empfänger. Darunter befinden sich etwa 355.700 Minijobber, 357.500 Angestellte im Übergangsbereich mit einem Bruttoeinkommen zwischen 556 Euro und 2.000 Euro monatlich und etwa 56.000 Beschäftigte mit Einkommen oberhalb dieser Grenze. Gerade in diesen niedrig entlohnten Tätigkeiten ist jede Einkommenssteigerung wichtig, um die finanzielle Situation zu verbessern. Doch die Praxis zeigt, dass das Plus beim Netto fast vollständig vom Jobcenter „weggerechnet“ wird.
Zur Verdeutlichung bei den Neuerungen und der Anrechnung nehmen wir als Beispiel ein unverheiratetes Paar, beide 35 Jahre alt, das gemeinsam in einer Bedarfsgemeinschaft in München lebt und ergänzend Bürgergeld bezieht.
Beispiel Vollzeit – 40 Wochenstunden
Mann arbeitet 40 Wochenstunden, Frau ohne Erwerbstätigkeit – In 2024 bezog der Mann einen monatlichen Bruttolohn von 2.151 Euro, basierend auf dem Mindestlohn von 12,41 Euro je Stunde. Netto wurden 1.555,03 Euro ausgezahlt. Durch die Mindestlohnerhöhung auf 12,82 Euro steigt der Bruttolohn ab Januar 2025 auf 2.222 Euro und der Arbeitgeber zahlt netto 1.597,83 Euro aus. Brutto ergibt sich ein Mehreinkommen von 71 Euro, netto sind es 42,80 Euro – bzw. 2,8 Prozent – mehr als im Vorjahr.
Jahr | Brutto (EUR) | Netto (EUR) | Netto-Differenz (EUR) |
2024 | 2.151,03 | 1.555,03 | |
2025 | 2.222,09 | 1.597,83 | +42,80 |
Das klingt zunächst nach einem Zugewinn von 42,80 Euro, auf dem Papier. Allerdings wird diese Differenz beim Bürgergeld eins zu eins angerechnet, da der Einkommensfreibetrag ab einem Bruttoeinkommen von 1.200 Euro vollständig ausgeschöpft ist und nur 348 Euro anrechnungsfrei bleiben, sodass für die Betroffenen kein reales Plus übrig bleibt. Anstatt 1.207,03 Euro wird das Jobcenter jetzt 1.249,83 Euro auf das Bürgergeld anrechnen.
Beispiel Teilzeit – 20 Wochenstunden
Beide arbeiten jeweils 20 Wochenstunden – Hier stieg der Bruttolohn von 1.076,00 Euro (2024) auf 1.111,00 Euro (2025). Netto macht das einen Unterschied von 845,20 Euro auf 871,58 Euro – also plus 26,38 Euro. Da das Bruttoeinkommen unter 1.200 Euro liegt, sind die Einkommensfreibeträge nicht voll ausgeschöpft, wodurch diese von 335,60 Euro in 2024 auf 339,10 Euro ab 2025 je Einkommensbezieher steigen.
Jahr | Brutto jeweils (EUR) | Netto jeweils (EUR) | Netto-Differenz (EUR) |
2024 | 1.076,00 | 845,20 | |
2025 | 1.111,00 | 871,58 | +26,38 |
Netto hat das Paar durch die Mindestlohnerhöhung jeweils 26,38 Euro mehr, in Summe somit was netto 52,76 Euro sind. Durch den gleichzeitigen Anstieg des Freibetrags werden aber nicht jeweils 26,38 Euro angerechnet sondern 22,88 Euro – pro Person bleiben demnach 3,50 Euro von der Lohnerhöhung übrig, so dass das Paar monatlich 7,00 Euro mehr zur Verfügung hat.
Jobcenter profitieren
Solange die Anrechnungsregeln des § 11b Abs. 3 SGB II im Bürgergeld unverändert starr bleiben, wirkt sich die Mindestlohnerhöhung für Aufstocker kaum bis gar nicht aus. Statt einer verbesserten finanziellen Lage führt die Erhöhung bei Erreichen der Grenzeinkommen zur Freibetragsermittlung vor allem zu Einsparungen bei den Jobcentern und bei den Beschäftigten zu einer realen Nullrunde. Damit verfehlt die Maßnahme ihr eigentliches Ziel, mehr Menschen aus der staatlichen Grundsicherung herauszuführen und ihnen ein echtes Plus im Geldbeutel zu verschaffen – zumal die Mindestlohnerhöhung kaum reichen wird, um aus der Grundsicherung herauszukommen und möglicherweise auf das Wohngeld auszuweichen.
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