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Gleichstellung: Auch mit Bürgergeld Anspruch auf Beratung

Die Verweigerung der Beratungshilfe für Hilfebedürftige in einem Bürgergeld Widerspruchsverfahren gegen das Jobcenter verstößt gegen das Grundgesetze und ist damit verfassungswidrig, so das Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe.

Amtsgericht lehnt Hilfe ab

Aus der Nebenkostenabrechnung ergab sich für den Kläger eine Erstattung. Das Guthaben hätte vollständig auf die Bürgergeld Leistungen angerechnet werden müssen, wodurch der Hilfebedürftige jedoch komplett leer ausgegangen wäre. Daher wurde die Nebenkostenerstattung als Einmalzahlung auf sechs Monate aufgeteilt: je 49,25 Euro monatlich. Da das Jobcenter die Leistungen jedoch bereits ausgezahlt hatte, folgte ein Bescheid mit Rückforderung in Höhe von 331,82 Euro.

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Um den Bescheid überprüfen lassen zu können, wollte der Mann Beratungshilfe beim Amtsgericht beantragen. Die zuständige Rechtspflegerin im Amtsgericht kam der Bitte nicht nach, weil es dem Kläger lediglich um eine pauschale Überprüfung des Bescheides gehe, ohne Anzeichen für eine konkrete Rechtsbeeinträchtigung. Bei weiteren Versuchen wurde beanstandet, es werde nicht konkret dargelegt, um welche Fehler im Bescheid es sich handele. Zudem hätte der Leistungsbezieher auch das Jobcenter um Hilfe bitten können. Dagegen legte der Mann Verfassungsbeschwerde ein.

Vor dem Gesetz alle gleich

Dieser Beschwerde gab das Bundesverfassungsgericht statt (Az. 1 BvR 1370/21). Die Entscheidungen des Amtsgerichtes verstießen gegen den Anspruch auf Rechtswahrnehmungsgleichheit und seien damit verfassungswidrig. Die Basis für diesen Beschluss bildet Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes („Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.“) in Verbindung mit Artikel 20 Absätze 1 und 3.

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Laut den Karlsruher Richtern greife die Möglichkeit für Bürgergeld Bedürftige, Beratungshilfe in Anspruch zu nehmen, wenn sie selbst nicht zu einer effektiven Ausübung ihrer Verfahrensrechte in der Lage seien. Unbemittelte müssten dabei wie Bemittelte die entstehenden Kosten berücksichtigen und prüfen, ob fremde Hilfe zwingend nötig sei. Ein Verweis auf Selbsthilfe müsse vom Gericht im Einzelfall geprüft werden. Hier komme es darauf an, inwieweit der Sachverhalt schwierige Rechtsfragen aufwerfe.

Der Bürgergeld Bescheid, der zur Verfassungsbeschwerde geführt hatte, wurde höchstrichterlich als „offenkundig nicht einfach gelagert“ gewertet. Gleichzeitig machten den Richter darauf aufmerksam, „dass die Aufteilung des Betriebskostenguthabens auf einen Zeitraum von sechs Monaten nicht zulässig war und nicht in Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung steht (BSG B 4 AS 8/20 R)“.

Verweis an Jobcenter war falsch

Der Verweis an das Jobcenter, um dort Hilfe in Anspruch zu nehmen, sei falsch gewesen. Schließlich habe der Leistungsträger den Bescheid erlassen. Auch eine mutwillige Rechtsverfolgung durch den Hilfebedürftigen sei nicht zu erkennen. Er habe die Punkte aufgezeigt, bei denen er Zweifel gehabt habe.

Titelbild: sebra / shutterstock