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BGH-Urteil: Schadensersatz bei Falschberatung vom Amt

Diese Geschichte beweist erneut die Unfähigkeit vieler Sozialleistungsträger und hat uns abermals erschüttert: Ein geistig behinderter Bedürftiger lebte über mehrere Jahre hinweg auf Grund von mangelnder Beratungsleistung des zuständigen Sozialleistungsträger am Rande des Existenzminimums – obwohl ihm eine volle Rente wegen Erwerbsminderung zugestanden hätte!

Unzureichende Beratung des Sozialamtes

Die Mutter des 34-jährigen Mannes hatte als seine Betreuerin im Jahre 2004 einen Antrag beim Landratsamt des sächsischen Meißen auf Leistungen der Grundsicherung wegen Erwerbsminderung gestellt. Sie und ihr Sohn wurden zu diesem Zeitpunkt vom Sozialamt jedoch nicht darüber unterrichtet, dass dem geistig behinderten Mann sogar eine volle Erwerbsminderungsrente zugestanden hätte. Die Rente wäre deutlich höher ausgefallen als die vom Sozialamt bewilligte Grundsicherung!

Für Anträge auf Erwerbsminderungsrente ist zwar nicht das Sozialamt zuständig, sondern werden diese bei der Rentenversicherung beantragt. Trotzdem sollte ein Sozialleistungsträger doch fähig sein, Bedürftige an andere Träger zu verweisen und ihnen über ihren eigenen Fachbereich hinaus weiterzuhelfen?

Laufende Schadensersatzklage in Höhe von über 50.000 Euro

Im Jahre 2011 erfuhr die Mutter des behinderten Mannes nun erstmals von einer neuen Sachbearbeiterin, dass ihrem Sohn eine Rente wegen voller Erwerbsminderung zustehen würde. Ein Antrag auf Erwerbsminderungsrente wurde daraufhin mit Wirkung ab dem 1. August 2011 genehmigt. Im selben Zuge erkannte seine Mutter auch, dass die Voraussetzungen für den Rentenbezug bereits seit dem Antrag auf Grundsicherung im Jahre 2004 erfüllt waren.

Folglich ist dem 34-jährigen Mann über sieben Jahre hinweg ein Rentenanspruch von über 50.000 Euro entgangen! Eine Klage gegen den Landkreis Meißen auf Schadensersatz wegen der Folgen der lückenhaften Beratung und folglicher Amtspflichtverletztung (§ 839 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. Art. 34 Satz 1 GG) wurde anfangs stattgegeben.

Der Beklagte ging jedoch in Berufung, woraufhin die Klage vom Oberlandesgericht Dresden abgewiesen wurde und zur neuen Verhandlung und Entscheidung an einen anderen Senat des Berufungsgerichts zurückverwiesen wurde. Die Verhandlung über einen möglichen Schadensersatzanspruch und die Höhe des Schadensersatzes läuft immer noch.

BGH: Beratungspflicht verletzt!

Obwohl das Berufungsgericht eine Amtspflichtverletzung des Sozialhilfeträgers verneint hat, sieht der Karlsruher Bundesgerichtshof eine ganz klare Verletzung der Beratungspflicht in dem Handeln des Trägers (Urteil vom 2. August 2018 – III ZR 466/16).

In dem beschriebenen Fall hätte der zuständige Sachbearbeiter die Notwendigkeit einer ausführlichen Beratung erkennen und über alle in Frage kommenden Leistungsansprüche informieren müssen.

Das Urteil – Ein Lichtblick für Antragsteller

Sollte es nicht selbstverständlich sein, dass ein Sachbearbeiter ausreichend und individuell über alle Möglichkeiten informiert? Leider beweist die Geschichte erneut, dass dieses immer noch Wunschdenken ist!

Das aktuelle Urteil des Bundesgerichtshofes ist zumindest ein Lichtblick für Antragsteller in dem zunehmend komplexeren bürokratischen Dschungel der verschiedenen Träger.

 

Titelbild: Bild von pexels.com – stock.tookapic.com