Eine Bürgergeld Empfängerin darf 3.000 Euro Entschädigung behalten, ohne dass der Betrag als Einkommen auf den Regelsatz angerechnet wird, so das Bundessozialgericht. Grund: Bei dem Betrag handelt es sich eine Wiedergutmachung für ein zu langes Gerichtsverfahren. Oder juristisch: um eine „zweckbestimmte Einnahme nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften“.
Vorausgegangen war ein Rechtsstreit mit dem Jobcenter um die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung. Dieses Verfahren zog sich in die Länge. Daher klagte die Bürgergeld Bedürftige und erzielte einen Vergleich. Ihr und ihrem Ehemann wurde eine Entschädigung von jeweils 2.100 Euro gewährt. Gutgeschrieben wurden 3.000 Euro.
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Jobcenter rechnet Einkommen an
Das Jobcenter wertete die Entschädigung als Einkommen, weil es keine Privilegierung nach § 11a Abs. 3 SGB II sah. Es argumentierte, dass die Zahlung nicht ausdrücklich zu einem anderen Zweck geleistet wurde als die Grundsicherung selbst. Da eine vollständige Anrechnung der einmaligen Zahlung im Monat des Zuflusses den Anspruch auf Bürgergeld aufgehoben hätte, verteilte das Jobcenter den Betrag von 3.000 Euro gemäß § 11 Abs. 3 Satz 4 SGB II auf sechs Monate à 500 Euro. Infolgedessen wurde die Bewilligung der Leistungen für die Zeit von Juni bis September aufgehoben. Darüber hinaus forderte das Jobcenter 805,21 Euro zurück.
Das Sozialgericht Hildesheim hob diesen Bescheid auf (S 37 AS 1532/17), doch das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen entschied in der Berufung zugunsten des Jobcenters (L 11 AS 1043/18). Erst das Bundessozialgericht stellte schließlich fest, dass die Kürzung unzulässig war (B 14 AS 15/20 R).
Kein anrechenbares Einkommen
Die Richter des Bundessozialgerichtes machten deutlich, dass das Jobcenter nicht berechtigt gewesen sei, die Bewilligung aufzuheben. „Weil kein Einkommen wegen der Zahlung aus dem Vergleichen anzurechnen war“, heißt es in der Begründung.
Klägerin war leistungsberechtigt
Die Klägerin sei „leistungsberechtigte Person“, da sie mit ihrem Einkommen den Lebensunterhalt nicht sichern könne. Sie habe ununterbrochen die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt. Weitere Einnahmen seien nicht zu berücksichtigen gewesen. Denn: „Die im Mai erhaltenen 3000 Euro sind unabhängig von ihrer Aufteilung auf die Klägerin und ihren Ehemann gemäß § 11a Abs 3 Satz 1 SGB II bei der Klägerin in voller Höhe anrechnungsfrei.“
Zweck der Zahlung: Wiedergutmachung
Gezahlt worden sei die Entschädigung als „Ausgleich eines immateriellen Nachteils“ und zwar aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Vorschrift. Diese beiden Aspekte sind in diesem Fall maßgebend. §11a Absatz 3 Satz 1 SGB II erklärt dazu:
„Leistungen, die aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften zu einem ausdrücklich genannten Zweck erbracht werden, sind nur so weit als Einkommen zu berücksichtigen, als die Leistungen nach diesem Buch im Einzelfall demselben Zweck dienen.“
Wichtig ist hierbei, dass es sich um eine öffentlich-rechtliche Vorschrift handelt. Dem sei so, erklärte das Bundessozialgericht. Denn es habe sich um eine Vorschrift gehandelt, „die einen Träger öffentlich-rechtlichen Verwaltung zur Leistung ermächtigen oder verpflichten“. In diesem Fall war es der Entschädigungsanspruch.
Der zweite Aspekt: der Zweck der Zahlung. Auch hier ließ das Gericht keine Zweifel daran, dass es einen „ausdrücklich genannten Zweck“ gibt, die „Wiedergutmachung immaterieller Nachteile durch die unangemessene Dauer eines Gerichtsverfahrens“. Damit handelt es sich um einen Zweck, der ausdrücklich über die Sicherung des Lebensunterhaltes hinausgeht und somit auch nicht den selben Zweck wie die Bürgergeld Leistungen hat.
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Fachliche Weisungen
Diesem Umstand widmeten sich auch die Fachliche Weisungen §§ 11-11b SGB II der Bundesagentur für Arbeit aus dem Februar 2020 zu den entsprechenden Paragrafen im SGB II. Dort wurde explizit auf solche Leistungen – mit Auflistungen – eingegangen, wie die Klägerin sie erhalten hat. Das zuständige Jobcenter hat diese Anweisung wohl missverstanden oder übersehen.
Ende des Spießrutenlaufs
Für die Frau und ihren Mann, der Pflegegeld erhält, endet mit diesem Urteil ein Spießrutenlauf. Das erste Verfahren gegen das Jobcenter zog sich in die Länge. Und die Klage aufgrund der Entschädigung ging gleich durch drei Instanzen. Dadurch sind enorme Kosten entstanden – unter anderem auch deshalb, weil ein Jobcenter den fachlichen Weisungen nicht folgte oder keinen rechtlichen Rat einholte.
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