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BSG stärkt Bürgergeld-Empfänger: Keine Rückforderungen bei unklaren Bescheiden

Trairige Frau liest Brief

Haben Bürgergeld-Aufstocker schwankende Einnahmen, müssen ihre Bürgergeld-Bescheide explizit als „vorläufig“ gekennzeichnet sein. Fehlt dieser Vermerk, ist der Bescheid endgültig und das Jobcenter darf zu viel gezahlte Leistungen nicht ohne Weiteres zurückfordern.

Was sind Aufstocker?

Als Bürgergeld-Aufstocker werden Leistungsempfänger bezeichnet, die aufgrund ihrer geringen Einnahmen aus einer Berufstätigkeit zusätzlich aufstockende Jobcenter Leistungen erhalten – sie stocken ihr Gehalt mit Bürgergeld auf. Knapp ein Drittel aller Bürgergeld-Empfänger beziehen ihre Leistungen aufstockend.

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Bescheid ohne Vermerk endgültig

Schwanken die Einnahmen aus der Berufstätigkeit, verändert sich auch die Höhe des Bürgergeld-Anspruchs. In diesem Fall erhalten die Betroffenen gemäß § 41a SGB II einen vorläufigen Bürgergeld-Bescheid des Jobcenters, der von Seiten des Jobcenters fortwährend überprüft und angepasst werden kann. Laut BSG muss dieser vorläufige Bescheid allerdings zwingend als solcher gekennzeichnet sein. Ohne einen Vermerk auf dem Bescheid über dessen Vorläufigkeit gilt er automatisch als endgültig.

Fall einer Frau mit schwankenden Einnahmen

Hintergrund des Urteils war der Fall einer Bürgergeld-Empfängerin aus Hamburg. Die Frau erzielte aus ihrer Arbeit ein kleines Einkommen und bezog daher aufstockend Bürgergeld-Leistungen. Die Einnahmen aus ihrer Tätigkeit schwankten dabei monatlich, da die Frau auf Abruf arbeitete. Aus diesem Grund erstellte das Jobcenter unter Vorlage der vorherigen Verdienstbescheinigungen eine Einnahmenprognose, anhand derer es den vorläufigen Bürgergeld-Anspruch der Frau bemaß. Der darauffolgende vorläufige Leistungsbescheid wurde dabei jedoch nicht als „vorläufig“ gekennzeichnet.

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Rückforderung des Jobcenters

In den Folgemonaten verdiente die Frau mehr als das Jobcenter zunächst erwartet hatte und forderte die zu viel gezahlten Bürgergeld-Leistungen zurück. Insgesamt 761,81 Euro sollte die Hamburgerin zurückzahlen. Die teilweise Rücknahme der Leistungsbewilligung ließ die Frau nicht auf sich sitzen und zog nach fruchtlosem Widerspruch vor Gericht.

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BSG spricht Recht

In letzter Instanz landete der Fall vor dem Bundessozialgericht. Die Karlsruher Richter entschieden, dass der Leistungsbescheid ohne einen Vermerk über dessen Vorläufigkeit als endgültig zu betrachten sei. Das Jobcenter hatte versäumt, den Bürgergeld-Bescheid entsprechend zu kennzeichnen und somit sei die Basis für eine Leistungsrückforderung nicht gegeben.

Verfahrensgang:
BSG, 24.06.2020, Az. B 4 AS 10/20 R
LSG Hamburg, 30.09.2019, Az. L 4 AS 26/18 und L 2 AS 26/18
SG Hamburg, 08.09.2017, Az. S 29 AS 255/16

Titelbild: Pheelings media / shutterstock