Lohn- und Rentenerhöhung sind positiv konnotierte Begriffe. Sobald aber von Bürgergelderhöhung gesprochen wird, sehen viele rot. Sie monieren, dass ein paar Euro mehr bei den Regelsätzen dazu dienen, Faulen den Bauch zu pinseln. Das darf nicht sein. Dabei übersehen viele, dass der als Bürgergeld Erhöhung gepriesene Schritt gesetzlich vorgeschrieben ist. Und schaut man sich die Zahlen genau an, bleibt trotz Fortschreibung ein Betrag, der dem Existenzminimum nicht gerecht wird.
Die neuen Regelsätze
Ab dem 1. Januar 2024 erhalten Singles nach aktuellem Stand 563 Euro Bürgergeld. Das entspricht einer Anpassung um 61 Euro respektive 12,2 Prozent im Vergleich zum derzeitigen Regelsatz von 502 Euro. Nachdem die neuen Daten veröffentlicht waren, häuften sich die Meldung mit dem Begriff „Rekordanstieg“ in der Titelzeile. Dass dieser „Rekord“ auf einer rekordverdächtigen Inflation beruht, verschwindet zwischen den Zeilen.
Gesetzgeber spricht von Fortschreibung
Und auch bei den Begrifflichkeiten nutzt man Erhöhung statt Anpassung oder Fortschreibung. Das hat gleich eine ganz andere Wirkung. Wenn es mehr Geld gibt, und das ist beim Bürgergeld nun einmal der Fall, handelt es sich rein sachlich zwar um eine Erhöhung. Rechtlich – das wird in einer Vielzahl von Urteilen des Bundesverfassungsgerichts sehr deutlich zum Ausdruck gebracht (etwa BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 23. Juli 2014 – 1 BvL 10/12 -, Rn. 1-149) – spricht man indes von einer Fortschreibung der Regelsätze.
- Bürgergeld Regelsätze sind Armutssätze
- Neue Bürgergeld-Berechnungsmethode: 50,69 Euro mehr Regelsatz ab 2024
Das mag Wortklauberei sein, macht aber eines deutlich: Es besteht ein Anspruch darauf, dass die Bürgergeldleistungen jährlich angepasst werden. Das dient schlichtweg dazu, auch angesichts sich ändernder Umstände – wie der Inflation und den höheren Energiekosten – ein menschenwürdiges Existenzminimum zu gewährleisten.
Klage: Existenzminimum ist nicht gesichert
Ob einst Hartz IV und heute das Bürgergeld diesem Anspruch gerecht werden, steht auf einem anderen Blatt. Sozialverbände und Erwerbsloseninitiativen wiederholen sich in dem Punkt regelmäßig. Der Sozialverband Deutschland und der Sozialverband VdK haben daher 2022 Nägel mit Köpfen gemacht und Klage gegen die Fortschreibung der Regelsätze eingereicht. Begründung:
„Angesichts steigender Preise garantiert die Grundsicherung nicht mehr das Existenzminimum.“
Das war – wohlgemerkt – im Jahr 2022. Dabei beriefen sich die Verbände auf das Bundesverfassungsgericht. Das hatte erklärt:
„Ist eine existenzgefährdende Unterdeckung durch unvermittelt auftretende, extreme Preissteigerungen nicht auszuschließen, darf der Gesetzgeber dabei nicht auf die reguläre Fortschreibung der Regelbedarfsstufen warten.“ (BVerfG 23.7.2014 – 1 BvL 10/12 ua, Rn. 144).
Trostpflaster statt echter Hilfe
Die Regelsätze wurden jedoch nicht vorzeitig fortgeschrieben. Stattdessen gab es einen Sofortzuschlag in Höhe von 200 Euro. Der war aufgrund der enormen Teuerung aber schon verbraucht, ehe er überhaupt auf dem Konto landete
813 Euro bei fairer und sachlicher Berechnung
Der Paritätische Wohlfahrtsverband plädierte zu der Zeit bereits für 725 Euro plus Strom. Mit aktuellen Zahlen untermauert müsste die Forderung inzwischen 813 Euro plus Strom lauten – wenn man fair und sachlich rechnet. Doch statt sich zumindest mit den Zahlen zu befassen, hat man Bürgergeld Bedürftige mit ihren Nöten allein gelassen. Weitere Hilfen gab es nicht.
Betroffene wurden hingehalten
Erst mit der überarbeiteten Fortschreibung in zwei Schritten – Basis- und erweiterte Fortschreibung – wurde die Inflation zeitnah aufgegriffen und auch beim Bürgergeld berücksichtigt. So lange hat man Betroffene hingehalten. Kurzum: Bürgergeld Bedürftige erhalten 2024 ein paar Euro mehr, die aber schon vor über einem Jahr nötig gewesen wären, um überhaupt über die Runden zu kommen. Ob damit das Existenzminimum gesichert und die Regelleistung gesetzeskonform ist, bleibt mehr als fraglich.
Bild (Montage):
PERO studio/ shutterstock.com
nitpicker/ shutterstock.com