Bei Vorwürfen in Richtung Bürgergeld überlegen Politiker, insbesondere von Union und FDP, nicht lange. Sie poltern mit ihrer Kritik, auch an Bürgergeld Bedürftigen, immer geradeaus. Das gilt insbesondere, seit die Regelsätze zum Jahreswechsel um 12,2 Prozent angehoben wurden. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) spricht von einer überproportionalen Anhebung – und wird durch eine Studie des Instituts Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen prompt der Lüge überführt.
Lüge: Regelbedarfe sind überproportional gestiegen
Die FDP hat das Bürgergeld zwar mitgetragen und auch den Fortschreibungsmechanismus unterschrieben. Doch zufrieden sind die Liberalen mit dem Ergebnis nicht. Deshalb wiederholte Christian Lindner bei Caren Miosga seine Aussage, dass die Regelsätze zum 1. Januar 2024 „überproportional stark“ gestiegen seien. Der Lohnabstand sei dadurch nicht mehr gewährleistet. Dieser Vorwurf steht seit Monaten im Raum, obwohl Berechnungen ein ganz anderes Bild zeigen und inzwischen klar sein sollte: Arbeit lohnt sich immer.
Studie vergleicht Bürgergeld, Löhne und Preise
Das bestätigt das Institut Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen mit aktuellen Daten. Gegenübergestellt wurde die Entwicklung der Regelbedarfe, der Löhne und der Preise im Zeitraum von 2005 bis 2023. Demnach sind die Löhne und Gehälter in dieser Zeit um 59 Prozent gestiegen, die Regelbedarfe jedoch nur um 46 Prozent. Bei den Verbraucherpreisen beträgt das Plus 43 Prozent. Für die ersten zehn Jahre gilt: Die Anpassung sei hinter der allgemeinen Preisentwicklung zurückgeblieben. Dadurch habe sich die Kaufkraft der Betroffenen verringert.
Krisenbedingt hohe Inflation
Dass die Bürgergeld Regelsätze 2023 und 2024 deutlicher als bisher üblich angepasst wurden, liegt laut Wissenschaftlern an der „krisenbedingt hohen Inflation“. Daher stelle die Fortschreibung 2023 lediglich einen Ausgleich des Preisanstiegs dar. Denn: 2022 seien die Verbraucherpreise im Vergleich zu 2005 um 35 Prozent, die Regelbedarf jedoch nur um 30 Prozent gestiegen. Die Angleichung erfolgte 2023, als die Regelbedarfe um 46 und die Verbraucherpreise um 43 Prozent stiegen (bezogen auf 2005). Aber: Explizite Ausgaben wie Nahrungsmittel seien im gleichen Zeitraum um 80 und Strom gar um 143 Prozent teurer geworden.
Bis 2023 keine Angleichung an Löhne
„Trotz des deutlichen Anstiegs wird ersichtlich, dass sich die Regelbedarfe bis zum Jahr 2023 weniger stark an die Löhne angleichen, als in der Öffentlichkeit diskutiert wird“, heißt es in der Studie. Erst mit der Fortschreibung zu 2024 ergebe sich für die Regelbedarfe eine Erhöhung um 63 Prozent im Vergleich zum Ausgangsjahr. Das entspreche einer Angleichung an die Nettogehälter 2023. Zu berücksichtigen sei, dass ein solcher Schritt für 2024 (Anpassung zu 2025) nicht zu erwarten sei.
Die Forscher warnen deshalb davor, die Bürgergeld Debatte ohne diesen Kontext zu führen. Der aktuelle Anstieg der Regelbedarfe bewege sich zwar oberhalb der Lohnsteigerungen bis zum Jahr 2023, werde aber hinter der Lohnentwicklung des Jahres 2024 zurückbleiben, weil sich auch die Gehälter positiv entwickelten.
Fazit der Studie
Ihr Fazit lautet: Wenn man die Anpassung der Regelbedarfe beim Bürgergeld nur für sich betrachte, wirkten sie „massiv“. Setze man sie jedoch in Relation zur Preis- und Lohnentwicklung der letzten Jahre, seien die „Anpassungen verhältnismäßig und wichtig gewesen“. Die Fortschreibung unterstütze eine Personengruppe, die besonders unter den Auswirkungen der Krisen gelitten hätte.
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