Er stänkert. Er spaltet. Er beleidigt. Hubert Aiwanger, Bayerns stellvertretender Ministerpräsident, wird nicht müde, Arbeitnehmer gegen Bürgergeld Bedürftige aufzubringen. Dazu sind ihm offenbar alle Mittel recht. Seine Kritik am Hartz-IV-Nachfolger ist nicht fein ausgearbeitet, sondern eher grobschlächtig. Dabei schert er alle Betroffenen über einen Kamm und deutet am 11. August 2023 in einem Tweet an, Bürgergeldempfänger seien Müßiggänger.
Keine Hilfe für Arbeitsfähige
Dass Hubert Aiwanger dem Bürgergeld keine guten Seiten abgewinnen kann, ist sein gutes Recht. Auch andere kritisieren die Grundsicherung für Arbeitssuchende, allerdings in eine völlig andere Richtung. Bayerns Wirtschaftsminister will das Bürgergeld nicht fairer gestalten, sondern radikale Einschnitte vornehmen. Sein Credo lautet: keine Hilfe mehr für junge Arbeitsfähige. Und er wird nicht müde, diese Forderung mehr oder weniger abgewandelt zu wiederholen.
Absurde Idee: kein Bürgergeld mehr für Arbeitsfähige
Müßiggang reduzieren
Einer seiner vielen Tweets zu diesem Thema geht dann allerdings deutlich unter die Gürtellinie:
„Wenn wir ein Wirtschaftswunder wollen, müssen wir wettbewerbsfähiger werden, Arbeit/Leistung belohnen, Müßiggang auf Kosten der Allgemeinheit reduzieren.“
Heißt im Umkehrschluss: Wer nicht arbeitet oder nicht arbeiten kann, macht sich einen lauen Lenz und geht keiner sinnvollen Beschäftigung nach.
Billiges Pauschalurteil
Gilt das auch für alle, die Bürgergeld erhalten, weil sie nicht arbeiten können? Nicht, weil sie nicht wollen. Nein: Sie pflegen Angehörige oder kümmern sich um die Kinder. Dann gibt es Hunderttausende, die arbeiten und mit Bürgergeld aufstocken müssen. Wenn man sich schon über das Bürgergeld aufregt, dann bitte keine Pauschalurteile, die nur wenige Komplettverweigerer betreffen.
Trauriges Menschenbild
Die Aussage des Müßiggangs, in Verbindung mit dem Wunsch nach einer Reform des Bürgergelds, spiegelt leider das wider, was viele inzwischen denken und teilweise auch offen kommunizieren. In diesem Menschenbild müssen Bürgergeld Bedürftige nur mit dem Finger schnipsen und bekommen alles bezahlt. Dass dem nicht so ist, kann man zigmal wiederholen. Die Politik manifestiert diese Vorstellung, auch mit dem Aufruf zu Zwangsarbeit.
Bürgergeld-Arbeitspflicht: Parteispielchen auf Kosten Hilfebedürftiger
Sorgen werden auf die leichte Schulter genommen
Dass Armutsbetroffene mit den hohen Lebensmittelkosten, die der Regelbedarf eben nicht deckt, völlig überfordert und auf die Tafeln angewiesen sind, wird als „übertrieben“ bezeichnet. Die Sorge, dass der Strom abgeklemmt wird, wiegelt man mit „selbst schuld“ ab. Das Problem: Armut ist zwar omnipräsent, aber meist nicht auf den ersten Blick erkennbar. Und obwohl jeder Fünfte armutsgefährdet ist, gibt es keine Lobby.
Der Mut, aufzubegehren
Nur wenige haben den Mut, auch aus Angst beschimpft, belächelt oder schikaniert zu werden, sich offen als armutsbetroffen zu „outen“. Darüber hat jüngst auch „Zeit online“ berichtet: „Kein Geld, keine Kraft“. Für alle, die sich nicht länger als Müßiggänger titulieren lassen möchten, gibt es dennoch eine Möglichkeit, der Armut eine Stimme zu geben: mit einer Online-Beteiligung im Rahmen des Beteiligungsprozesses zum Siebten Armuts- und Reichtumsberichts.
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