Der Mythos, dass Bürgergeld Bedürftige einfach nur Geld kassieren und keinerlei Pflichten haben, hält sich hartnäckig. Das dürfte einer der Gründe sein, weshalb in der Politik immer wieder gefordert wird, Betroffene härter ranzunehmen. Dabei hat der Gesetzgeber Jobcentern auch so schon ausreichend Instrumente an die Hand gegeben, um Bürgergeldempfänger zu „aktivieren“. Beispiel: Zumutbare Jobs müssen angenommen werden.
Rufe nach härteren Regeln
CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann will Zwangsarbeit durchsetzen, auch wenn er das Wort selbst nicht in den Mund nimmt. Und Bayern stellvertretender Ministerpräsident Hubert Aiwanger von den Freien Wählern fordert in jedem dritten Tweet „striktere Bedingungen fürs Bürgergeld“. Die Erwerbsfähigen unter den Bürgergeld Bedürftigen müssten gezielt in Arbeit gebracht werden. Dafür müsse sich Arbeit lohnen.
Menschen in Arbeit bringen
Dass es sich um zwei Paar Schuhe handelt – für faire Löhne sind die Jobcenter noch nicht zuständig –, die von den Freien Wählern in Bayern angesprochen werden, geht dabei leicht unter. Denn was glaubt Hubert Aiwanger eigentlich, welche Aufgabe die Jobcenter wahrnehmen? Sie sollen Menschen in den Arbeitsmarkt integrieren. Das war zu Zeiten von Hartz IV so und hat sich mit dem Bürgergeld nur in der Hinsicht geändert, dass jetzt vermehrt auf Weiterbildung und Qualifizierung gesetzt wird.
Der Grundsatz des Forderns
Zwei Aspekte blieben bei der Reform indes nahezu unberührt. Die Leistungsminderungen (zuvor Sanktionen), die bis zu 30 Prozent ausmachen können, wenn man den Aufforderungen der Jobcenter nicht Folge leistet. Und die Tatsache, dass Bürgergeld Bedürftige nahezu jeden Job annehmen müssen. Es ist also keineswegs so, dass Betroffene nicht jetzt schon zu Arbeit gezwungen werden könnten – wenn die Sachbearbeiter denn wollen.
Arbeitspflicht besteht schon
Das geht klipp und klar aus den FAQ zum Bürgergeld hervor, die von der Servicestelle SGB II, einer Initiative des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, veröffentlicht wurden. Frage 53 lautet:
„Muss ich jede Arbeit annehmen, die mir angeboten wird?“
Die Antwort ist unmissverständlich und macht Rufe nach härteren Bedingungen überflüssig:
„Ist eine Arbeit zumutbar und fordert das Jobcenter Sie auf, diese anzunehmen, dann müssen Sie diese grundsätzlich auch annehmen.“
Auch unterbezahlte Jobs sind zumutbar
Die Basis hierfür bilden die §§ 2 und 10 des SGB II. Mit § 2 SGB II wird der Grundsatz des Forderns definiert und deutlich gemacht, dass alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden müssen, die Hilfebedürftigkeit zu beenden oder zu verringern. Welche Tätigkeiten zumutbar sind, geht aus § 10 SGB II hervor. Der Lohn, damit Arbeit sich im wahrsten Sinne des Wortes auch lohnt, ist dabei zweitrangig. Er darf auch unterhalb des ortsüblichen oder tariflichen Entgelts liegen. Lediglich bei sittenwidrigen Angeboten zieht der Gesetzgeber eine Grenze.
Die Rolle des Kooperationsplans
Arbeiten, mit denen eine Rückkehr in den bisherigen Job erschwert würde, gelten als unzumutbar. Ansonsten ist Arbeit nur dann nicht zumutbar, wenn man noch zur Schule geht, sich um Kinder kümmert oder Angehörige pflegt. Alle anderen müssen ran. Ob sich das mit dem Verzicht auf den Vermittlungsvorrang verträgt und welche Rolle der Kooperationsplan dabei spielt, lässt sich jetzt noch nicht sagen. Wohl aber, dass Carsten Linnemann und Hubert Aiwanger sich besser informieren sollten, ehe sie nach der größeren Peitsche rufen.
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