Indem sie Zuständigkeiten beim Bürgergeld verschieben, wollen Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) ab 2025 insgesamt 900 Millionen Euro sparen. Letztlich betätigen sie sich dabei nur als Hütchenspieler. Denn die Kosten laufen dann an anderer Stelle auf. Betroffen wären alle Bürgergeld Bezieher unter 25 Jahren. Sie würden für die Beratung an die Bundesagentur für Arbeit (BA) abgeschoben, erhielten ihr Geld aber weiter vom Jobcenter.
Billige Taschenspielertricks
Wir haben bereits vor einem Monat über die Taschenspielertricks berichtet, deren Ausmaß und Konsequenzen jetzt nach und nach immer mehr Unmut aufkommen lassen. Die Arbeitsminister sämtlicher Bundesländer fühlen sich von ihrem Amtskollegen auf Bundesebene übergangen. Die Jobcenter sehen ihre in 18 Jahren geleistete Arbeit in Gefahr und schlimmer noch: Die Sorge, eine ganze Generation zu verlieren.
Taschenspieler-Tricks zulasten Bürgergeld Bedürftiger und Beitragszahler
Vom Jobcenter zur Arbeitsagentur
Doch worum geht es? Die Aufgabe, im Arbeitsessort möglichst viel Geld einzusparen, um der Schuldenbremse gerecht zu werden, haben Finanz- und Arbeitsministerium durch einen (billigen) Trick realisiert. Erbringen Jobcenter Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II, sind diese steuerfinanziert. Die Bemühungen der Arbeitsagenturen, denen man die Bürgergeld Empfänger bis 25 Jahren „unterschieben“ möchte, fallen hingegen unter das SGB III und werden daher über die Arbeitslosenversicherung finanziert.
Beitragszahler statt Steuerzahler
Statt in den Steuertopf greifen zu müssen, sollen also die Beitragszahler künftig für jüngere Betroffene aufkommen. Unter dem Strich soll das auf dem Papier 900 Millionen Euro einsparen. Die Linken-Bundestagsabgeordnete Jessica Tatti wollte wissen, wie sich dieser Betrag zusammensetzt. Die Antwort aus dem Bundesarbeitsministerium:
- 300 Millionen Euro weniger für Eingliederungsleistungen
- 600 Millionen Euro weniger für Personalkosten
Arbeitsagenturen können Bürgergeld nicht umsetzen
Weitaus interessanter ist aber die Antwort auf die Frage, ob die Arbeitsagenturen und damit das System der Arbeitslosenversicherung überhaupt die Möglichkeiten biete, die im Bürgergeld vorgesehen seien. Im Schreiben, das dem „Spiegel“ vorliegt, werde klipp und klar zum Ausdruck gebracht: „Nein, nicht alle.“ Noch sei nicht klar, welche Leistungen übernommen werden könnten. Für Jessica Tatti steht fest, dass man mit gravierenden Folgen rechnen müsse und die Planung völlig unverantwortlich sei.
Unterkunftskosten beim Bürgergeld – massive Mittelkürzungen geplant
Landesarbeitsminister sind sauer
Dem stimmen die Arbeitsminister aus den Bundesländern unisono zu. Um es vorsichtig zu formulieren: Sie sind stinkig und lehnen die Sparpläne ab. Statt der bestmöglichen Unterstützung für Jugendliche stünden allein finanzpolitische Gründe im Vordergrund. In politischen Kreisen, so der NDR, spreche man von einer grundlegenden „Sozialreform durch die Hintertür“.
Nachteile für unter 25-Jährige
In Niedersachsen und Schleswig-Holstein wird man diesbezüglich konkreter. 80.000 Jugendliche würden in Niedersachsen „hervorragend“ betreut.
„Wir haben große Sorge, dass das in Zukunft nicht mehr funktioniert“,
betont Niedersachsens Arbeitsminister Andreas Philippi (SPD). Der Arbeits-Staatssekretär aus Schleswig-Holstein, Tobias von der Heide (CDU) ergänzt, dass haushaltspolitische Entscheidungen die Nachteile für unter 25-Jährige nicht rechtfertigten.
Betroffene werden abgehängt
Durch diese Reform würden Betroffene abgehängt. 700.000 sind es deutschlandweit. Sie werden von den 406 Jobcentern teils schon seit Jahren betreut und sind dort bestens bekannt. Dabei spielen auch schwierige Familienverhältnisse eine Rolle. Entsprechend groß ist der Unmut der Jobcenter. Deren Personalräte mahnen:
„Die Jobcenter haben in den letzten fast 18 Jahren eine Beratungskompetenz aufgebaut, sind mit ihrer sozialraumorientierten Arbeit etabliert und respektiert und stellen auch in den Jugendberufsagenturen die treibende Kraft und tragende Säule dar.“
Auch Jobcentermitarbeiter sind verunsichert
In den Arbeitsagenturen fehle dafür das Personal. Mit den Plänen würden komplette Strukturen verändert, kritisiert auch der Sozialverband Deutschland. 900 Millionen Euro sollten besser in Beratung und Personal investiert werden. Kurzum: Die Sparpläne verunsichern Betroffene und die Mitarbeiter in den Jobcentern. Auf den Punkt bringt es der Sozialverband:
„Was jetzt passiert, ist keine Sozialpolitik, das ist auch keine Gesellschaftspolitik, das ist eine reine Einsparung zu Lasten junger Menschen.“
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