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Bürgergeld: Erbschaft nicht zwingend anrechenbares Vermögen

Handgeschriebenes Testament auf Geldscheinen

Das Landessozialgericht Baden-Württemberg musste klären, ob das Bürgergeld der Klägerin aufgrund einer Erbschaft als Zuschuss oder nur noch als Darlehen gewährt werden kann. Das Jobcenter hatte das Bürgergeld als Darlehen gewährt, da es die Erbschaft als verwertbares Vermögen betrachtete. Die Klägerin argumentierte jedoch, dass sie aufgrund von Erbstreitigkeiten keinen direkten Zugriff auf das Erbe hatte.

Bürgergeld nur als Darlehen bewilligt

Die Klägerin, eine alleinerziehende Mutter, lebte mit ihrer Tochter seit 2015 in einer Wohnung des Dreifamilienhauses, welches ursprünglich dem verstorbenen Vater der Alleinerziehenden gehörte. Nach dessen Tod im Oktober 2019 erbte sie zusammen mit ihren beiden Brüdern dieses Mehrfamilienhaus sowie Geldvermögen in Höhe von 104.190 Euro. Da die Klägerin eine der Wohnungen aus dem Nachlass selbst bewohnte, zahlte sie weiterhin Miete, bis es zur Erbauseinandersetzung kam.

Im Februar 2020 informierte die Klägerin das Jobcenter über den Tod ihres Vaters und die Erbschaft. Daraufhin hob das Jobcenter im März 2020 die Leistungen ab April 2020 vollständig auf, da die Klägerin nun Erbin eines Vermögens sei und somit nicht mehr hilfebedürftig. Am 30. September 2020 stellte die Klägerin einen Weiterbewilligungsantrag und ab Oktober 2020 wurden die Leistungen wieder gewährt, jedoch nur als Darlehen. Das Jobcenter argumentierte, dass der Erbteil verwertbar sei, auch wenn die Erbengemeinschaft noch keine Einigung erzielt hatte. Die Klägerin erhob Widerspruch und führte an, dass sie keinen direkten Zugriff auf das Vermögen habe, da die Erbauseinandersetzung noch nicht abgeschlossen war.

Bürgergeld futsch weil Vermögen verschwiegen

Der Fall wurde vor Gericht verhandelt

Das Sozialgericht Reutlingen (Az. S 2 AS 281/22) entschied im Juli 2023 zunächst zugunsten des Jobcenters und argumentierte, dass der Erbanteil der Klägerin verwertbar sei, selbst wenn die Erbengemeinschaft noch uneinig war. Die Verfügungsmöglichkeit über den Erbanteil wurde als „Zufluss“ gewertet, der im Sinne des SGB II auf das Bürgergeld anrechenbar ist.

Im Berufungsverfahren hob das Landessozialgericht Baden-Württemberg die Entscheidung des Sozialgerichts auf (Az. L 7 AS 2471/23 vom 18.07.2024) und stellte klar, dass Vermögen nur dann angerechnet werden darf, wenn es „tatsächlich und zeitnah verwertbar“ ist. Im vorliegenden Fall war dies nicht der Fall. „Eine Verwertung des Erbteils aufgrund fehlender Einigung der Erbengemeinschaft war nicht realisierbar“, stellte das Gericht fest. Auch das Geldvermögen war bis zur endgültigen Erbaufteilung blockiert, da ein Zugriff darauf nur gemeinschaftlich mit den Miterben möglich war.

Weiter führte das LSG aus: „Nach den Umständen des Falles lag kein zeitnaher Zugang zu dem Erbteil vor, da die Miterben einer Veräußerung nicht zugestimmt hatten.“ Da die Verwertbarkeit des Erbes während der relevanten Zeiträume nicht gegeben war, musste das Bürgergeld als Zuschuss und nicht als Darlehen gewährt werden.

Titelbild: MakroBetz / shutterstock