Das war zu erwarten: Die erste Lesung zum Bürgergeld-Gesetz im Deutschen Bundestag verlief hitzig. So sehr, dass Bundestagspräsidentin Bärbel Bas für Ruhe sorgen und noch einmal betonen musste, dass man auf Hetze verzichten möge. Inhaltlich waren die Positionen der Parteien klar abgesteckt und aufgrund der Diskussionen im Vorfeld absehbar. Die Koalition feierte sich. Die Opposition wiederum sieht keinen klaren Fortschritt.
Inhaltsverzeichnis
Größte Sozialreform seit 20 Jahren
Worum es geht, machte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) bereits am Anfang deutlich:
„Die Einführung des Bürgergelds zum 1. Januar wird eine der größten Sozialreformen der vergangenen 20 Jahre.“
Mit dieser Reform erneuere der Sozialstaat sein Schutzversprechen und sorge dafür, dass künftig unbürokratisch geholfen werde.
Ausbildung statt Aushilfsjob
Zwei Aspekte hob Heil beim „neuen“ Hartz V besonders hervor: Zum einen, dass der bessere Weg „Ausbildung statt Aushilfsjob“ heiße. Damit bezog er sich auf den Wegfall des Vermittlungsvorrangs. Zum anderen unterstrich der Minister, dass sich Arbeit wieder lohnen müsse. Dafür habe man den Mindestlohn angehoben. Gleichzeitig machte er unmissverständlich deutlich, dass man nicht Bedürftige gegeneinander ausspielen dürfe.
Perspektivwechsel statt Hilfe von der Stange
Froh, dass mit dem Bürgergeld Hartz IV überwunden werde, zeigte sich auch Beate Müller-Gemmeke von den Grünen. Sie sprach von einem Perspektivwechsel. Statt Betroffene nur zu aktivieren, gebe es künftig Ansätze für verschiedene Vermittlungshemmnisse. In diese Kerbe schlug auch Dagmar Schmidt (SPD). Menschen würden nicht mehr länger „von der Stange“ unterstützt.
Kritik am Bürgergeld
Kritik hagelte es von der CDU, die das Bürgergeld als „verpasste Chance“ bezeichnete. Man kümmere sich mit dem Gesetz vor allem um die Hartz IV Vergangenheitsbewältigung der SPD.
Hartz IV wird mit dem Bürgergeld nicht überwunden
Eklatante Gerechtigkeitslücke
Entsprechend harsch fiel die inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Gesetzentwurf zum Bürgergeld aus. Unionspolitiker Stephan Stracke sieht im Verzicht auf die Angemessenheitsprüfung während der ersten beiden Jahre eine „eklatante Gerechtigkeitslücke“. Außerdem mangele es an Anreizen, sich Arbeit zu suchen. Stracke sagte: „Statt auf Motivation setzen Sie auf unverbindliche Kooperation.“
Brandgefährliche Stimmungsmache
Dagegen wehrte sich Jens Teutrine von der FPD.
„Hören Sie auf, auf Grundlage falscher Fakten Stimmung zu machen. Das ist brandgefährlich“,
warnte er – wie zuvor Hubertus Heil – Hartz IV Bedürftige und Geringverdiener gegeneinander aufzuhetzen.
AfD will schärfere Sanktionen
Ähnlich wie die CDU glaubt auch die AfD nicht daran, dass das Bürgergeld funktionieren wird.
„Es ist nur ein aufgeweichtes Hartz IV“,
so Gerrit Huy (AfD). Er forderte schärfere Auflagen. Denn: „Wir wollen nicht, dass Arbeitende die Dummen sind.“
Pflicht zur Bürgerarbeit und Sachleistungen
Daher hatte die AfD auch einen Antrag eingereicht. Sie plädiert für eine aktivierende Grundsicherung in Form einer sogenannten Bürgerarbeit. Jeder erwerbsfähige Leistungsempfänger müsste dann 15 Wochenstunden arbeiten, um Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II zu erhalten. Und statt Barmitteln solle es bei Verweigerung der Bürgerarbeit nur noch eine Sachleistungs-Debitkarte geben.
Verarsche von Langzeitarbeitslosen
In die komplett gegensätzliche Richtung geht die Linke. Sie lobt immerhin:
„Das ist das erste Gesetz, das Hartz IV nicht schlechter macht, sondern besser.“
Gleichwohl würden die negativen Aspekte überwiegen. Die Regelsätze seien beispielsweise nach wie vor zu niedrig. Jessica Tatti nannte das Bürgergeld deshalb eine „Verarsche auf dem Rücken der Langzeitarbeitslosen“.
Die Linke zum Bürgergeld: Hartz IV Bedürftige werden veräppelt
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