Weltfremd und realitätsfern: Dass der Preis für Heizöl zwischenzeitlich gestiegen ist, scheint bei einigen Jobcentern noch nicht angekommen zu sein. Statt die Angemessenheit der Heizkosten aufgrund dieser Entwicklung im Einzelfall zu prüfen, beharrt man auf den Daten des Heizspiegels und verwehrt die Übernahme höherer Ausgaben. Dem hat das Sozialgericht Hannover widersprochen und das Jobcenter dazu verdonnert, für die tatsächlichen Heizkosten des Bürgergeld Bedürftigen aufzukommen.
Im Bürgergeld-Bezug werden neben dem Regelbedarf auch die Kosten der Unterkunft, wozu auch Heizkosten zählen, im Rahmen der Angemessenheit übernommen.
Gestiegene Heizölkosten
Der Fall wirkt auf den ersten Blick unspektakulär. Ein Bürgergeldempfänger, der die Hälfte eines 120-Quadratmeter-Hauses bewohnt, hatte im Oktober 2021 500 Liter Heizöl für 523,30 Euro und im Februar 2022 200 Liter für 422,45 Euro gekauft. Umgerechnet heißt das: Der Preis je Liter ist innerhalb weniger Monate von 0,8695 auf 1,75 Euro gestiegen.
Jobcenter beruft sich auf den Heizspiegel
Doch statt die insgesamt 945,75 Euro zu übernehmen, gewährte das zuständige Jobcenter dem Mann nur 572,50 Euro und damit 373,25 Euro weniger, als tatsächlich bezahlt worden waren. Begründet wurde die Weigerung, die vollen Heizkosten zu tragen, mit Hinweis auf den bundesweiten Heizspiegel für 2021. Der sieht für einen Ein-Personen-Haushalt exakt 572,50 Euro als Brennstoffbeihilfe vor. Dagegen klagte der Bürgergeld Bedürftige mit Hinweis auf die gestiegenen Heizölkosten – mit Erfolg.
Heizkosten waren angemessen
Das Sozialgericht Hannover wertete die Bescheide des Jobcenters als rechtswidrig und betonte: „Der Kläger hat Anspruch auf Gewährung einer weiteren Beihilfe für die Beschaffung von Heizmaterial für die Heizperiode 2021/2022 in beantragter Höhe.“ Denn: Im Gegensatz zum Jobcenter stuften die Richter den Heizölverbrauch respektive die Heizkosten des Bürgergeld Bedürftigen nicht als unangemessen ein.
Kein unwirtschaftliches Verhalten
Die Grenzwerte aus dem Heizkostenspiegel stellten keine Quadratmeterhöchstgrenze dar, bis zu der die Heizkosten übernommen würden. Der Wert gebe lediglich einen Hinweis darauf, „dass von unangemessenen Heizkosten auszugehen ist“. In einem solchen Fall müsse der hilfebedürftige Leistungsempfänger darlegen, weshalb seine Ausgaben angemessen waren. In diesem Sinne habe der Kläger „überzeugend dargelegt und nachgewiesen, dass seine höheren Aufwendungen für Heizöl nicht auf unwirtschaftlichem und unangemessenem Heizverhalten beruhten“. Ursächlich seien vielmehr die außergewöhnlich stark gestiegenen Heizölpreise.
Eher unterdurchschnittlicher Verbrauch
Gleichzeitig bescheinigte das Gericht dem Bürgergeldempfänger, dass sein Verbrauch mit 700 Litern für einen Ein-Personenhaushalt „eher unterdurchschnittlich sei“. Viel wichtiger aber: Der Heizspiegel 2021, auf den sich das Jobcenter beruft, basiere auf einem durchschnittlichen Heizölpreis von 0,53 Euro pro Liter. Ausgehend von 570 Euro hätten damit also 1.100 Liter gekauft werden können. Oder anders ausgedrückt: Das Jobcenter sieht 1.100 Liter als angemessen an, spricht bei 700 Liter aber von unwirtschaftlichem Heizverhalten.
Ferner betonte das Sozialgericht Hannover: Für einen Ein-Personen-Haushalt beliefen sich die angemessenen Heizkosten laut Grundpauschale Brennstoffbeihilfe (Stand 07/2022) auf 1.073 Euro – basierend auf den hohen Energiepreisen.
Heizspiegel ist nicht maßgeblich
Entscheidend: Das Jobcenter hatte sich auf ein Urteil des Bundessozialgerichtes berufen (Urteil vom 12.6.2013 – B 14 AS 60/12 R) – und dabei eine wichtige Passage übersehen. Denn laut BSG darf eine Absenkung nur aufgrund einer Angemessenheitsprüfung im Einzelfall erfolgen. Dazu war es im vorliegenden Fall aber nicht gekommen. Fazit der Richter: „Die zu zahlenden Heizkosten ergeben sich im Einzelfall nicht aus dem Heizspiegel.“
Sozialgericht Hannover, Aktenzeichen S 38 AS 1052/22 vom 17. Mai 2023.
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