Erst ein fehlerhafter Bescheid und dann monatelang Funkstille. Das Jobcenter Landkreis Harz hat sich im Fall, der vor dem Sozialgericht Magdeburg verhandelt wurde, nicht mit Ruhm bekleckert. Allerdings ist die Tatsache, dass Bürgergeldempfänger immer länger warten müssen – und damit teils in existenzielle Not geraten – auch ein Zeichen dafür, wie schlecht es um die Personaldecke bestellt ist. Besserung darf man nicht erwarten. Dafür sorgt schon Sparkurs der Regierung.
Fehlerhafter Bescheid löst Widerspruch aus
Der Fall ist exemplarisch dafür, wie Bürgergeld Bedürftige hingehalten werden und sich Jobcenter immer öfter mit Personalmangel und der Umstellung auf den Hartz-IV-Nachfolger herausreden. Der Kläger hatte am 5. Mai 2022 Widerspruch gegen den Bescheid vom Jobcenter eingelegt. Obwohl er zusammen mit seiner Mutter zur Miete wohnt, wurden keine Kosten für Unterkunft und Heizung berücksichtigt. Laut Eingangsbestätigung erreichte das Schreiben das Amt noch am selben Tag. Da das Jobcenter nicht antwortete, wurde am 13. September 2022 eine Untätigkeitsklage beim Sozialgericht eingereicht.
Antwort erst neun Monate später
Die erste Reaktion auf den Widerspruch und die Klage erfolgte am 13. Januar 2023 – also fast neun Monate später. Und das auch erst, nachdem das Sozialgericht Magdeburg am 16. September 2022 und dann noch einmal am 23. Dezember 2022 um eine Stellungnahme gebeten hatte.
Grund: Neuaufteilung der Akten
Die Antwort gleicht einer Ausrede: Langfristige Abwesenheiten und Verluste von Mitarbeitern hätten zu einer Neuaufteilung der Akten geführt. Der zuständige Mitarbeiter habe mehrere hundert neue Akten erhalten. Man werde versuchen, den Widerspruch kurzfristig zu bearbeiten.
Untätigkeitsklage war zulässig
Das Gericht sah die Untätigkeitsklage nach § 88 SGG als zulässig und begründet an. Es sei nicht in angemessener Frist – drei Monate – über den Widerspruch entschieden worden. Das Jobcenter habe auch keine zureichenden Gründe für die Fristüberschreitung genannt.
Fristüberschreitung nicht gerechtfertigt
Der Richter betonte angesichts dieser Ignoranz:
„Die vom Beklagten vorgetragene Neuaufteilung der Akten infolge von Personalmangel rechtfertigt keine Fristüberschreitung“.
Da fast das Dreifache der angemessenen Bescheidungsfrist abgelaufen sei, könne keine Rede von einer nur vorübergehenden Überlastungssituation sein.
Es wird noch schlimmer
Man darf gespannt sein, wie viele ähnlich gelagerte Urteile es künftig geben wird. Denn dass die Jobcenter unter Personalmangel leiden und die Aktenberge kaum mehr abarbeiten können, ist hinlänglich bekannt. Wenn jetzt auch noch die Mittel gekürzt werden, warten viele Bürgergeld Bedürftige vermutlich bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag auf eine Antwort.
Unterkunftskosten beim Bürgergeld – massive Mittelkürzungen geplant
Sozialgericht Magdeburg, Gerichtsbescheid vom 01.02.2023, Az.: S 36 AS 886/22
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