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Bürgergeld: Kein Bett-Attest fürs Jobcenter nötig

Stethoskop und Kugelschreiber auf gelber Krankmeldung

Wenn Bürgergeld-Empfänger krank werden und deshalb nicht zu einem Termin im Jobcenter erscheinen können, reicht für gewöhnlich eine Krankschreibung vom Arzt. Manche Jobcenter fordern in solchen Fällen jedoch eine zusätzliche Bestätigung: eine sogenannte Wegeunfähigkeitsbescheinigung – auch bekannt als “Bettlägerigkeitsbescheinigung”. Ein Sozialgericht hat klargestellt: Das geht zu weit.

Krank – aber nicht bettlägerig

Wer einen Termin beim Jobcenter verpasst, muss mit Sanktionen rechnen – außer es liegt ein triftiger Grund vor. Krankheit zählt natürlich dazu. Üblicherweise verlangt das Jobcenter dann eine Krankmeldung, wie man sie auch dem Arbeitgeber vorlegen würde. Doch in einigen Fällen reicht der gelbe Schein (Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung) offenbar nicht aus: Zusätzlich wird verlangt, dass der Arzt schriftlich bestätigt, dass der oder die Betroffene auch nicht in der Lage war, den Weg zum Jobcenter zurückzulegen.

Wenn Jobcenter die Krankschreibung anzweifeln

Genau so war es im Fall einer Bürgergeld-Empfängerin aus dem Raum Göttingen. Sie hatte wegen Krankheit einen Termin nicht wahrnehmen können – und das auch mit einer Krankschreibung belegt. Trotzdem kürzte das Jobcenter ihr den Regelsatz um 10 Prozent. Die Begründung: Sie habe die notwendige Wegeunfähigkeitsbescheinigung nicht vorgelegt.

Gericht: Kein Bett-Attest nötig

Die Frau wehrte sich und zog vor das Sozialgericht Hildesheim – mit Erfolg. Die Richter entschieden: Eine solche Bettlägerigkeitsbescheinigung darf das Jobcenter nicht verlangen. Die entsprechende Rechtsfolgenbelehrung, die der Einladung zum Jobcenter-Termin beigefügt war, sei irreführend. Sie erwecke den Eindruck, nur mit einer Wegeunfähigkeitsbescheinigung könne man ein krankheitsbedingtes Nichterscheinen entschuldigen. Das sei unwirksam.

Das Gericht stellte klar: Ein wichtiger Grund – wie eine Erkrankung – muss zwar objektiv nachvollziehbar sein, kann aber auch anders nachgewiesen werden. Zum Beispiel durch Zeugenaussagen, ein ärztliches Attest oder andere plausible Belege. Eine explizite Wegeunfähigkeitsbescheinigung ist dafür nicht zwingend erforderlich.

Kein Spielraum für zusätzliche Hürden

Mit diesem Urteil (S 38 AS 1417/17) setzt das Sozialgericht dem Versuch mancher Jobcenter, zusätzliche Hürden für Bürgergeld-Bezieher zu errichten, klare Grenzen. Die Entscheidung macht deutlich: Wer krank ist, muss nicht beweisen, dass er “bettlägerig” war – eine Krankschreibung genügt in aller Regel.

Das Gericht stellte außerdem fest, dass die Sanktion im vorliegenden Fall auf der falschen gesetzlichen Grundlage beruhte. Der Termin war kein gewöhnlicher Meldetermin nach § 32 SGB II, bei dem allein das Nichterscheinen sanktioniert werden kann. Vielmehr ging es um eine Maßnahme – hier greift § 31 SGB II. Dort sind Sanktionen nur zulässig, wenn eine konkrete Pflichtverletzung vorliegt und die Betroffenen zuvor klar über die Folgen informiert wurden. Diese Voraussetzungen waren im konkreten Fall nicht gegeben.

Für Betroffene gilt

Wer wegen Krankheit einen Termin nicht wahrnehmen kann, sollte sich natürlich eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom Arzt ausstellen lassen. Eine Wegeunfähigkeitsbescheinigung kann zwar helfen, ist aber rechtlich nicht erforderlich. Sollte das Jobcenter dennoch auf diesem Attest bestehen oder Leistungen kürzen, ist ein Widerspruch der richtige Schritt.

Titelbild: M. Schuppich / shutterstock