Sie predigen Qualifizierung und Weiterbildung, spendieren erwachsenen Bürgergeld-Empfängern für den Bereich Bildung jedoch nur 1,81, Euro im Monat. Die Zahl steht so sehr im luftleeren Raum, dass sie Symbolcharakter hat. Sie steht für Regelsätze, deren Berechnung weder fair noch wirklich nachvollziehbar ist. Vor allem aber beweisen 1,81 Euro, wie weltfremd die Politik sein muss, um eine solche Zahl aufs offizielle Bürgergeldtableau zu setzen.
Bürgergeld und die Bedarfe
Zum Verständnis: Das Bürgergeld setzt sich aus Bedarfen zusammen, die als einzelne Abteilungen im Regelbedarfsermittlungsgesetz aufgelistet werden. In der Summe ergibt sich daraus für einen erwachsenen Single ein Regelsatz von 502 Euro pro Monat.
Handfeste Posten wie Nahrung und Kleidung
Die meisten dieser Bedarfe sind handfester Natur. 34,7 Prozent des Regelsatzes, umgerechnet 174,19 Euro, sind für Nahrungsmittel, Getränke und Tabakwaren vorgesehen – wobei Tabakwaren und auch Alkohol mit 0,00 Euro bei der Bedarfsermittlung vorgesehen sind. Dazu gehören Brot, Butter, Marmelade und Wasser, ganz nach eigenem Gusto. Auch Bekleidung und Schuhe mit 8,3 Prozent (41,65 Euro) stellen einen Bedarf dar, unter dem man sich etwas vorstellen kann.
Was ist Bildung wert?
Und dann taucht da als Abteilung 10 der Bedarf für das Bildungswesen im Bürgergeld auf. Ganze 0,36 Prozent oder 1,81 Euro sind dafür vorgesehen. Das erinnert an Kinder, die sich mit dem Taschengeld in der Hose die Nase am Süßigkeiten-Regal im Kiosk plattdrücken und fragen: „Was gibt es für 40 Cent?“ Zwei Herzen, zwei weiße Mäuse und vier Frösche.
Nun stelle man sich einen Bürgergeld-Empfänger vor, der mit 1,81 Euro in der Hand in der Volkshochschule, dem Haus der Familie oder bei einem anderen Bildungsträger fragt: „Was gibt es dafür?“ Vermutlich ein mitleidiges Lächeln und einen gedruckten Katalog.
Wie weit kommt man mit 21,72 Euro im Jahr?
Auch online dürfte es schwer werden, sich mit 1,81 Euro im Monat oder 21,72 Euro im Jahr um Bildung zu bemühen. Ein Online-Kursus im Angebot, alternativ zwei oder drei gebrauchte Bücher: Viel mehr ist nicht drin. Oder ein Block samt Bleistift. Wobei es auch immer darauf ankommt, wie man Bildungswesen definiert.
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Bildung oder doch eher Kultur und Freizeit
Der Übergang zum Bedarf für Freizeit, Unterhaltung und Kultur dürfte fließend sein. Hierfür sieht das Bürgergeld bei einem alleinstehenden Erwachsenen 48,98 Euro vor. Mal ein Konzert, ein Theaterbesuch, Bücher oder der Beitrag für den Verein. Auch das ließe sich teils als persönliche Bildung sehen.
Weiterbildung wird nur berufsbezogen gefördert
Nun könnte man argumentieren, das Jobcenter zahlt für Weiterbildungen. Gerade jetzt, da mit dem Bürgergeld Bildung hochgelobt wird. Doch die Maßnahmen müssen zum Ziel haben, damit später besser in den Arbeitsmarkt integriert werden zu können. Da sind Vorträge zur Malerei der Renaissance, Chinesisch für Anfänger oder andere, eher privat gelagerte Bildungsinteressen völlig irrelevant.
Ein Bedarf mit Alibi-Charakter
Dafür hat man schließlich 1,81 Euro im Monat zur Verfügung. Dass man angesichts der Inflation die Bildung im wahrsten Sinne des Wortes für einen Apfel und ein Ei fallen lässt und statt in Kultur zu investieren lieber Gemüse und Obst kauft, steht auf einem anderen Blatt.
Mit 1,81 Euro kommt man auf keinen grünen Zweig. Das sollte auch der Politik klar sein. Näher erläutert wird dieser Bedarf nirgends. Hauptsache, Bildung steht auf der Liste. Schließlich soll niemand behaupten, Bürgergeld-Empfängern würde Bildung verweigert. Auch so kann man Menschen für dumm verkaufen.
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