„Einen finanziellen Kraftakt“, nennt Joachim Rock vom Paritätischen Gesamtverband den Schulstart für Bürgergeldempfänger und generell arme Haushalte. Hunderte Euro Kosten, die nicht einmal ansatzweise durch die Leistungen für Bildung und Teilhabe, konkret den persönlichen Schulbedarf, gedeckt sind. Was dabei bisweilen untergeht: Die Möglichkeit, Schulbücher und Arbeitshefte als Mehrbedarf geltend zu machen. Das nimmt betroffenen Familien einen Teil des Drucks. Dafür muss man allerdings aktiv werden.
Kompliziertes System
Wie komplex und damit kompliziert das Bürgergeld sein kann, beweist ein Blick auf das Thema Schule und die damit verbundenen Kosten. Es gibt einerseits das Bildungspaket. Hieraus können Leistungen, etwa für einen Schulausflug, beantragt werden. Pauschal berücksichtigt wird der persönliche Schulbedarf. Dieses Jahr sind es 174 Euro, von denen 116 Euro zum ersten und 58 Euro zum zweiten Schulhalbjahr gezahlt werden.
Schulbedarf und Bürgergeld: bürokratisch und mit 14 Prozent Unterdeckung
Tipps vom Profi
Andererseits, und das ist längst nicht allen Bürgergeld-Bedürftigen bewusst – schon gar nicht, wenn man gerade erst ins System gerutscht ist –, können in einigen Fällen Mehrbedarfe geltend gemacht werden. Das ist etwa bei Schulbüchern und Arbeitsheften der Fall, die oft teuer sind und damit eine echte finanzielle Belastung darstellen. Darauf macht „Sozi Simon“ auf „X“ (ehemals Twitter) aufmerksam und gibt auch gleich die nötigen Tipps samt Rechtsgrundlage.
Das gilt es zu beachten
Die wichtigste Aussage von „Sozi Simon“ dürfte vielen Familien im Bürgergeldbezug und jenen, die auf Sozialhilfe angewiesen sind, ein wenig Last von den Schultern nehmen:
„Das Amt zahlt auf Antrag die Kosten für Schulbücher und Arbeitshefte.“
Dabei ist allerdings einiges zu beachten. Im SGB XII und im AsylBLG gilt: Der Antrag muss im Anschaffungsmonat gestellt werden. Etwas mehr Zeit haben Bürgergeldempfänger (SGB II). Sie können den Mehrbedarf auch rückwirkend für das Jahr 2022 geltend machen.
Diese Unterlagen sind erforderlich
Wie das funktioniert? Benötigt werden zunächst eine Bestätigung der Schule, aus der hervorgeht, welche Bücher und Arbeitshefte gekauft werden müssen, und der Beleg über den Kauf – es muss sich also um Bücher bzw. Arbeitshefte handeln, die von Schule oder Lehrer vorgegeben werden. Da es in einigen Bundesländern keine Lernmittelfreiheit gibt, sind die Kosten teils so hoch, dass sie vorab nicht aus eigener Tasche beglichen werden können.
„In diesem Fall muss das Amt die Leistungen als Vorschuss gewähren oder direkt an die Schule zahlen“,
erklärt „Sozi Simon“.
Antrag auf Mehrbedarf stellen
Entscheidend ist, dass man den Mehrbedarf aktiv geltend machen muss. Der Experte liefert dazu auch gleich einen Formulierungsvorschlag.:
„Hiermit beantrage ich die Übernahme der Kosten für die Anschaffung der notwendigen Schulbücher und Arbeitshefte für meinen Sohn… (oder meine Tochter). Anbei eine Liste der Schule über die erforderlichen Materialien und die Quittung über die Anschaffung. Sollten Sie Fragen haben oder Unterlagen benötigen, stehe ich Ihnen gern zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen.“
Rechtsgrundlage
Die Rechtsgrundlage bilden zum Mehrbedarf § 21 Abs. 6a SGB II, § 30 Abs. 9 SGB XII, in denen es heißt:
„Soweit eine Schülerin oder ein Schüler aufgrund der jeweiligen schulrechtlichen Bestimmungen oder schulischen Vorgaben Aufwendungen zur Anschaffung oder Ausleihe von Schulbüchern oder gleichstehenden Arbeitsheften hat, sind sie als Mehrbedarf anzuerkennen.“
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Armut bleibt bestehen
Das Problem: Wer seine Rechte nicht kennt, nimmt sie in der Regel auch nicht wahr. Genau das soll sich mit der Kindergrundsicherung eigentlich ändern. Doch selbst da rechnet man damit, dass nicht einmal die Hälfte der Berechtigten die Leistungen in Anspruch nimmt (laut Referentenentwurf 47 Prozent). Für Joachim Rock ist das ein „Drama“, mit dem Armut von Familien und Kindern fortgeschrieben wird.
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