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Bürgergeld trotz prallem Sparbuch – Jobcenter kassiert Niederlage

Vermögen und Bürgergeld schließen sich normalerweise aus. Doch was gilt, wenn die Eltern eines Leistungsempfängers vermögend sind und auf den Namen des Kindes und der Enkel Sparbücher anlegen und zigtausende Euro einzahlen? Genau darüber hatten das Sozialgericht Cottbus und das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg (Aktenzeichen L 18 A S 447/23 vom 20. November 2024) zu befinden. Das Urteil fiel für Bürgergeld Bedürftige erfreulich aus, sorgt allerdings auch für Diskussionen: Das Guthaben darf nicht als Vermögen angerechnet werden.

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Vater des Bedürftigen legte Sparkonten an

Der Fall: Eine Patchworkfamilie bezog seit 2006 Grundsicherung für Arbeitssuchende – das heutige Bürgergeld. Damit war Schluss, als das Jobcenter 2009 von Zinszahlungen zugunsten einiger Familienmitglieder auf diversen Sparbüchern erfuhr. Die Familie selbst betonte, nichts von den Kapitalerträgen gewusst zu haben. Denn: Die Sparkonten mit Guthaben von insgesamt 450.000 Euro hatten nicht die Familienmitglieder, sondern der Vater respektive Großvater im Namen des Sohnes und der Enkel angelegt.

Aktueller Bürgergeld Freibetrag auf Vermögen: Derzeit gelten 15.000 Euro je Person einer Bedarfsgemeinschaft als Schonvermögen. Innerhalb der zwölfmonatigen Karenzzeit ab Bürgergeld Erstantrag werden dem Haushaltsvorstand sogar 40.000 Euro Schonvermögen zugestanden. Erst Vermögenswerte darüber hinaus werden zur Reduzierung der Hilfebedürftigkeit angerechnet.

Keine Verfügungsgewalt

Sowohl der Bürgergeld Bedürftige als auch der Vater und die Sparkasse betonten, dass zwar Vollmachten unterschrieben worden seien, die uneingeschränkte Verfügungsgewalt über das Vermögen aber beim Vater geblieben sei. Erst mit dessen Tod sollte das Vermögen auf die Familie übergehen. Überdies war vorgesehen, dass das Guthaben im Pflegefall für die Pflege von Vater und Mutter aufgebraucht wird.

Rückforderung des Jobcenters

Das Jobcenter folgte diesen Ausführungen nicht und ging davon aus, dass die Familie jederzeit Zugriff auf das Geld hatte. Daher wurden zunächst 12.307,72 Euro, später dann nur noch 11.337,59 Euro zurückgefordert. Dagegen legte die Familie Widerspruch ein, der abgelehnt wurde. Dafür hatte sie dann Erfolg mit der Klage vor dem Sozialgericht Cottbus (Aktenzeichen S 37 AS 1823/18 vom 24. März 2023).

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Guthaben gilt nicht als Vermögen Betroffener

Die Richter hoben den Rücknahme- und Rückforderungsbescheid vom 6. Oktober 2009 auf und bezeichneten das Vorgehen des Jobcenters als rechtswidrig. Über den gesamten Zeitraum sei die Familie anspruchsberechtigt gewesen und habe nicht über „ein verwertbares Vermögen verfügt, das die Grundfreibeträge nach § 12 Abs. 2 SGB II überstiegen hätte“. Das Sozialgericht sah das Guthaben auf den Sparbüchern nicht als Vermögen der Bürgergeld Bedürftigen an. Denn: Wird ein Sparbuch von einem nahen Angehörigen im Namen einer Person angelegt, verbleibt dann aber in dessen Besitz, sei daraus zu schließen, dass „der Zuwendende sich die Verfügung über das Sparguthaben bis zu seinem Tode vorbehalten wolle“. Das gelte auch in diesem Fall, da die Familie die Sparkassenbücher nie besessen habe oder jemals bei der Bank gewesen sei.

Das Vermögen sei vom Vater durch den Verkauf von Grundstücken erworben worden. Erst mit seinem Tod wäre das Geld an die Familie gegangen. So sehe es auch das nicht mehr abänderbare Testament vor. Auch die Sparkasse habe bestätigt, dass der Vater per Vollmacht uneingeschränkt die Verfügungsgewalt über die Sparbücher behalten habe.

Berufung wurde abgelehnt

Damit wollte sich das Jobcenter nicht abfinden und ging in Berufung. Sie wurde vom Landessozialgericht Berlin-Brandenburg jedoch als unbegründet abgelehnt. Die Sparbücher seien lediglich auf den Namen des Bürgergeld Bedürftigen angelegt worden. Ansonsten hätten die Vermögenswerte dem Vater zur Sicherung des eigenen Lebensstandards im Alter gedient. Es sei lebensfremd, von einer Schenkung mit warmer Hand zu sprechen.

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Sippenhaft

Dieses Urteil hat Sprengkraft und ist Wasser auf die Mühlen der Bürgergeld Gegner. Denn 450.000 Euro im Hintergrund und dennoch Anspruch auf Bürgergeld zu haben, lässt sich kaum vermitteln. Aber: Die betroffene Familie hatte keinen Zugriff auf das Geld, insofern handelte es sich – wenn überhaupt – um fiktives Vermögen. Schließlich befand es sich nach wie vor im Besitz des Vaters. Es dann auf den Leistungsanspruch anzurechnen, käme einer Sippenhaft gleich. Entscheidend ist und bleibt dabei, von wem das Geld angelegt wurde, wem es gehört und wer darüber verfügen kann.

Titelbild: mahc / shutterstock