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Bürgergeld und Datenschutz: Jobcenter nutzt Notlage aus

Stoß Kontoauszüge

Der gläserne Bürgergeldempfänger: Für Kritiker der Sozialleistung ein Traum. Letztlich aber nicht mit der Datenschutzgrundverordnung vereinbar. Zwar müssen Betroffene die Hosen runterlassen, aber nicht jeden Winkel ihres Lebens beleuchten lassen. Beim Jobcenter Rostock scheint das noch nicht angekommen zu sein. Datenschutz ist dort ein Fremdwort. Wer aus der Not heraus ein Darlehen für eine Mietkaution beantragen möchte, soll ungeschwärzte Kontoauszüge vorlegen – ein klarer Verstoß gegen geltendes Recht.

Mietkaution als Druckmittel

Als Bürgergeld Bedürftiger eine bezahlbare und vielleicht sogar im Sinne des Jobcenters angemessene Wohnung zu finden, ist inzwischen wie ein Sechser im Lotto. Da gilt es, die Gelegenheit beim Schopf zu packen. Wäre da nicht die Mietkaution. Sie ist für die meisten Betroffenen nicht aus dem eigenen „Vermögen“ finanzierbar. Da bleibt nur der Bittgang zum Jobcenter.

Darf das Jobcenter Kontoauszüge einsehen?

Ungeschwärzte Kontoauszüge

Denn, betont das Hanse-Jobcenter Rostock: „Grundsätzlich ist die darlehensweise Übernahme einer Mietkaution bzw. von Genossenschaftsanteilen möglich.“ Ein solches Darlehen muss beantragt werden. Nötig sind dafür neben dem Antrag auch ein Vorvertrag mit dem Vermieter, die Höhe der Mietkaution, die Bankverbindung des Vermieters, die Anlage zu den Vermögensverhältnissen (Anlage VM) und – das ist der Knackpunkt – die „Kontoauszüge der letzten 3 Monate lückenlos und ungeschwärzt“.

Es gilt die Datenschutzgrundverordnung

Eine solche Forderung ist schlichtweg nicht zulässig. Denn einige Passagen auf den Kontoauszügen dürfen durchaus geschwärzt werden. Das gilt nicht für Einnahmen und damit Positionen auf der Habenseite. Wohl aber für bestimmte Teile der Buchungstexte auf der Ausgabenseite. Da es sich in der Regel um sensible Daten handelt, hat das Bundessozialgericht klare Bahnen gezogen (Aktenzeichen B 14 AS 45/07 R). Demnach dürfen etwa bei Spenden und Mitgliedsbeiträgen Teile des Textes unkenntlich gemacht werden. Der Hinweis, dass es sich um eine Spende oder einen Mitgliedsbeitrag handelt, muss lesbar bleiben.

Relevanter Auszug aus der DS-GVO

(1) Die Verarbeitung personenbezogener Daten, aus denen die rassische und ethnische Herkunft, politische Meinungen, religiöse oder weltanschauliche Überzeugungen oder die Gewerkschaftszugehörigkeit hervorgehen, sowie die Verarbeitung von genetischen Daten, biometrischen Daten zur eindeutigen Identifizierung einer natürlichen Person, Gesundheitsdaten oder Daten zur (…) Orientierung einer natürlichen Person ist untersagt.

(2) Absatz 1 gilt nicht in folgenden Fällen:

a) Die betroffene Person hat in die Verarbeitung der genannten personenbezogenen Daten für einen oder mehrere festgelegte Zwecke ausdrücklich eingewilligt (…)

Art. 9 Abs. 1 DS-GVO – https://dejure.org/gesetze/DSGVO/9.html

Kontoauszüge für das Jobcenter schwärzen

Betroffene haben keine Wahl

Beim Hanse-Jobcenter Rockstock scheint das noch nicht angekommen zu sein. Oder man nutzt ganz einfach die Notlage Betroffener aus. Denn bei der Aussicht auf eine Wohnung haben Bürgergeld Bedürftige eines ganz sicher nicht: Zeit und Lust, sich mit dem Amt anzulegen – zumal die Gewährung eines Darlehens für die Mietkaution als Kann-Leistung im Ermessen des Jobcenters liegt.

Titelbild: Ronald Rampsch / shutterstock