Monatsende: Da mehren sich die Stimmen Armutsbetroffener, die kein Geld mehr für Nudeln oder andere Lebensmittel haben. Vor diesem Dilemma stehen Bürgergeld Bedürftige, Rentner und Menschen in prekären Einkommensverhältnissen seit Monaten. Dafür werden sie belächelt oder als zu dumm zum Einkaufen beschimpft. Damit leugnen die selbst ernannten Experten die Ernährungsarmut in Deutschland – die jetzt eines der Kernthemen der Bonner Ernährungstage ist.
Massive Unterdeckung dank Inflation
Wer hätte das gedacht? In einer der wohlhabendsten Industrienationen können sich immer mehr Menschen nicht einmal das Nötigste leisten, um eine gesunde Ernährung zu gewährleisten. Umschrieben wird dieses Phänomen mit Ernährungsarmut. Ein Begriff, der erst mit der Inflation wieder aus der Schublade geholt wurde und dank einer massiven Unterdeckung Hand in Hand geht mit dem Bürgergeld.
Lebensmittel sind nach wie vor teuer
Nun könnte man einwenden, die Inflation ist auf dem Rückmarsch. Ja, in einzelnen Bereichen schon. Bei Nahrungsmitteln stehen allerdings nach wie vor 14,9 Prozent zu Buche. Gemüse war im Mai 17,3 Prozent teurer als im Vorjahr, Brot und Brötchen 17,1 Prozent, Molkereiprodukte und Eier 25,3 Prozent und Pflanzenfette 27,7 Prozent (Quelle: Statistisches Bundesamt). Angesichts dieser Zahlen kann von Entlastung noch keine Rede sein.
Inflation bricht Bürgergeld-Empfängern das Genick
Grundsicherung und gesundheitsfördernde Ernährung schließen sich aus
Die Daten unterstreichen vielmehr die jüngsten Erkenntnisse. Mit dem Bürgergeld, einer kargen Rente oder dem Mindestlohn ist eine gesundheitsfördernde Ernährung unmöglich. Das haben simple „Feldversuche“ ebenso bewiesen wie ausführliche Studien etwa der Charité (wir berichteten: Bürgergeld reicht nicht einmal 15 Tage für eine gesunde Ernährung). Und dennoch hält sich die Mär, dass Bürgergeld Bedürftige und andere Armutsbetroffene einfach nur zu teuer einkaufen, falsch kochen und auf viel zu großem Fuß leben.
Kernthema der Bonner Ernährungstage: die Ernährungsarmut
Widerlegt werden diese Lügen durch die Wissenschaft. Das diesjährige Forum des Bundeszentrums für Ernährung (BZfE) – die Bonner Ernährungstage – wird sich Ende August nicht grundlos mit dem Thema Ernährungsarmut befassen. Beantwortet werden sollen im Rahmen der Veranstaltung gleich mehrere Fragen:
- Warum haben immer mehr Menschen nicht genug Geld für eine angemessene Ernährung?
- Was ist angemessen und wie wird Ernährungsarmut definiert?
- Welche gesundheitlichen und gesellschaftlichen Folgen hat Ernährungsarmut?
Zur Klärung dieser Punkte sollen sachliche Informationen und wissenschaftliche Fakten beitragen. Und da viele glauben, dass ein solches Thema sie niemals betreffen könnte: Eine der Diskussionen zielt auf die „Ernährungsarmut in der Mitte der Gesellschaft“ – also weit entfernt von Bürgergeld und Co. Denn auch mittlere und niedrige Einkommen bekommen die Inflation zu spüren und sind nicht mehr in der Lage, ausschließlich gesund zu kochen.
Eine sozial gerechte Ernährungswende
Deswegen haben sich die Diakonie Deutschland, Greenpeace, das Armutsnetzwerk, das Netzwerk der Ernährungsräte und ein Bündnis von über 30 Organisationen zusammengeschlossen und eine gemeinsame Erklärung abgegeben. Sie fordern eine sozial gerechte und ökologische Ernährungswende.
Bürgergeld anheben
Demnach soll jedem Menschen eine warme Mahlzeit pro Tag aus ökologisch erzeugten, gesunden Nahrungsmitteln zugänglich gemacht werden. In diesem Sinne müsse auch die Grundsicherung angehoben werden. Bedürftigen stünden derzeit mit dem Bürgergeld Regelsatz nur 5,74 Euro pro Tag (bei Singles) für drei Mahlzeiten und Getränke zur Verfügung, bei Kindern und Jugendlichen sei es noch weniger.
„Das gefährdet die Entwicklung junger Menschen und verhindert soziale Teilhabe“,
so die Diakonie.
Der Staat ist in der Pflicht
Mehr noch:
„Das Recht auf angemessene Nahrung ist ein Menschenrecht.“
Deshalb sei der Staat in der Pflicht, eine barrierefreie Grundversorgung im Sinne einer ausgewogenen Ernährung zu ermöglichen, das gelte besonders für benachteiligte und schutzbedürftige Menschen. Einer der Schritte dorthin: Steuerfreiheit für pflanzliche Lebensmittel.
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