Die Enttäuschung ist groß. Nach 30 Stunden, gebündelt auf 16 Seiten, haben sich insbesondere die Sozialverbände mehr vom Koalitionsausschuss erwartet. Obwohl sich die Regierung viel Zeit für das „Modernisierungspaket“ genommen hat, geht der Aspekt Soziales völlig unter. Genau dreimal taucht der Begriff „sozial“ in der Erklärung auf – allerdings nicht ein einziges Mal im Kontext der Grundsicherung beziehungsweise der Kindergrundsicherung.
Kein Wort zu sozialen Themen
Der Fokus des „Modernisierungspaket für Klimaschutz und Planungsbeschleunigung“ liegt auf wichtigen Themen – keine Frage. Für Klima, erneuerbare Energien, Verkehr und die energetische Sanierung braucht es klare Bahnen. Allerdings wünschen sich Millionen Menschen in Deutschland auch verbindliche Aussagen zu sozialen Themen. Etwa dazu, wie die Regierung Betroffene, die auf Bürgergeld oder Grundsicherung angewiesen sind, eine kleine Rente haben oder nur wenig verdienen, angesichts der Preisspirale unterstützen möchte.
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Keine Zeit für die Kindergrundsicherung
Das Papier gibt keinerlei Auskunft über mögliche Hilfen oder eine Anpassung beim Bürgergeld Regelsatz – wie sie vom Bundesverfassungsgericht bei „Unterdeckungen existentieller Bedarfe“ vor Jahren gefordert wurde (Leitsätze zum Beschluss des Ersten Senats vom 23. Juli 2014: 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12 und 1 BvR 1691/13). Auch die jüngst immer wieder diskutierte Kindergrundsicherung hat in 30 Stunden offenbar keinen Platz gefunden.
Dringende soziale Fragen nicht beantwortet
Das wurmt nicht nur den Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes, Dr. Ulrich Schneider. Er moniert:
„Anstatt die ganze Nacht über Autobahnkilometer zu feilschen, hätten die Koalitionäre auch darüber reden sollen, wie sie die dringenden sozialen Fragen unserer Zeit angehen möchten.“
Generell vermisse er Aussagen zur sozialen Flankierung der geplanten Maßnahmen. Zur Information: In der Zusammenfassung wird lediglich auf eine „sozial gerechte Transformation“ und die Vermeidung unbilliger Härten auch zum sozialen Ausgleich verwiesen.
Kinderarmut greift um sich
Gewünscht hätte sich Dr. Ulrich Schneider vor allem Aussagen zur Kindergrundsicherung und damit eine klare Positionierung hinter die Pläne von Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne), gerade von einer SPD-geführte Bundesregierung. Denn jedes fünfte Kind in Deutschland lebe in Armut oder sei von Armut bedroht. Diesen Aspekt hätte die Koalition priorisieren müssen. Auch den Aspekt „bezahlbarer Wohnraum“ und ein „klares Signal an Mieterinnen und Mieter“ lasse die Ampel vermissen.
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Regierung lässt klare Signale vermissen
Auf ein Signal hatte auch die Präsidentin des Sozialverbandes VdK, Verena Bentele, gewartet. Denn Kinder aus armen Familien könnten nicht länger warten. Der Präsident des Kinderschutzbundes, Heinz Hilgers, wird diesbezüglich etwas deutlicher:
„Die Ampel vertagt die Zukunft der Kinder auf den Sankt Nimmerleinstag.“
Nötig seien umfassende Gesetzesänderungen. Deshalb dürfe niemand in der Koalition auf Zeit spielen.
Pulver schon verschossen?
Zeit genommen haben sich die Ampelpartner. Sie werden wohl auch gestritten haben. Warum nun aber soziale Themen völlig unter den Tisch gefallen sind – zumindest im offiziellen Papier zur Sitzung – ist dann doch nur schwer verständlich. Vielleicht hat man das ganze Pulver schon bei der Hartz-IV-Reform hin zum Bürgergeld verschossen (ohne dabei auch nur einmal ins Schwarze zu treffen).
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