Das Dach über dem Kopf zu verlieren, ist ein herber Schicksalsschlag. Doch trotz drohender Wohnungslosigkeit haben Bürgergeld Bedürftige keinen Anspruch auf die Übernahme von Mietkosten, die als nicht angemessen eingestuft werden. Heißt: Auch in einer Notlage darf die Wohnung nicht zu teuer sein. Zumindest dann nicht, wenn Betroffene in eine Unterkunft eingewiesen werden können und somit keine Obdachlosigkeit zur Debatte steht. Das geht aus einem aktuellen Urteil des hessischen Landessozialgerichts vor.
Miete zu hoch
Der Fall: Eine selbstständige Immobilienmaklerin bezog seit Februar 2023 Bürgergeld. Der Vermieter hatte ihr aufgrund von Mietrückständen zum 21. Februar 2023 gekündigt. Die Räumungsfrist wurde auf den 31. Dezember 2023 festgelegt. Wie vom Gesetzgeber vorgeschrieben, bat die Bürgergeld Bedürftige ab Dezember für drei Wohnungen um eine Zusicherung für die Anmietung. Aber: Alle drei Objekte wurden als nicht angemessen abgelehnt. Das letzte Objekt mit einer Größe von 58 Quadratmetern sollte 691,45 Euro Miete, 149 Euro als Nebenkostenvorauszahlung und 111 Euro für die Heizung kosten. Zu viel, so das Amt.
Maximal 35 bis 50 Quadratmeter
Als angemessen würde eine Wohnung zwischen 35 und 50 Quadratmetern gelten, mit einer Grundmiete bis 550 Euro und Betriebskosten von 141 Euro. Das ergibt eine Bruttokaltmiete von maximal 691 Euro, die vom Jobcenter für einen alleinstehenden Bürgergeld Bedürftigen maximal gezahlt werden.
Sozialgericht hält Wohnung für unangemessen
Da sich Bürgergeldempfängerin und Jobcenter nicht einigen konnten, landete der Vorgang beim Sozialgericht Frankfurt. Hier machte man der Klägerin bereits deutlich, dass sie keinen Anspruch darauf habe, dass die Kosten für die Wohnung übernommen werden. Das Objekt sei weder abstrakt noch konkret angemessen. Dabei habe sich das Jobcenter am qualifizierten Mietspiegel orientiert. Mit 840,45 Euro übersteige die Bruttokaltmiete für das von der Frau genannte Objekt die Obergrenze von 691 Euro um 22 Prozent (149,45 Euro).
Keine Ausnahme trotz Karenzzeit
Ein Anspruch bestehe auch nicht mit Verweis auf § 22 Absatz 4 Satz 2 SGB II. Demnach besteht innerhalb der Karenzzeit die Möglichkeit, höhere als die angemessenen Kosten zu übernehmen. Das gelte aber nur, wenn zu erwarten sei, dass die Bedürftigkeit vor Ablauf der Karenzzeit ende. Davon könne man im vorliegenden Fall nicht ausgehen. Hinzu komme, dass auch die konkrete Lage auf dem Wohnungsmarkt die Aufwendungen für das Objekt nicht angemessen erscheinen lassen.
Landessozialgericht folgt Ausführungen des Jobcenters
Dagegen legte die Immobilienmaklerin Widerspruch ein. Damit landete der Fall beim hessischen Landessozialgericht. Dabei berief sich die Bürgergeld Bedürftige einerseits auf die drohende Wohnungslosigkeit. Andererseits meldete sie Zweifel an der Berechnung des Jobcenters an, weil der Mietspiegel nicht aktuell sei, sondern aus dem Jahr 2022 stamme. Das Jobcenter hielt dem entgegen, dass die Frau die Wohnungssuche verzögert habe.
Die Kündigung sei im Februar ausgesprochen worden. Seither seien von ihr nur drei Wohnungen vorgeschlagen worden, allesamt über 50 Quadratmeter. Dabei hätte sie es als Maklerin deutlich leichter, eine Wohnung zu finden.
Angemessene Wohnungen verfügbar
Das Jobcenter untermauerte seine Aussagen mit einer Internet-Wohnungssuche. Sie ergab neun Treffer für Wohnungen mit einer Kaltmiete bis 550 Euro für 35 bis 50 Quadratmeter und 33 Treffer für eine maximale Kaltmiete von 691 Euro. Diese Zahlen führte letztlich auch das Landessozialgericht gegen die Klägerin ins Feld. Sie belegten, dass die Frau nicht intensiv nach einer Wohnung gesucht habe – zumal sie über Branchenkenntnisse und Kontakte verfüge, was die Suche erleichtere.
Problem Mietspiegel
Auch den Vorwurf, der Mietspiegel sei nicht aktuell, entkräftete das Gericht. Die Wohnung sei gemäß den Maßstäben des Bundessozialgerichts schlichtweg zu groß und zu teuer. Dazu bemühten die Richter die Grenzwerte des Wohngeldgesetzes plus zehn Prozent. Ohne diesen 10-Prozent-Zuschlag läge die Miete 207,45 Euro über der Angemessenheitsgrenze, mit um 144 Euro.
Keine unbegrenzte Kostenübernahme
Entscheidend für diesen Fall ist daher folgende Aussage: „Zwar ist der Schutz der Wohnung auch in Form des Behalts der Wohnung verfassungsrechtlich beachtlich, allerdings kann die drohende Wohnungslosigkeit keinen unbegrenzten Kostenübernahmeanspruch gegen den Antragsgegner begründen.“
Keine Obdachlosigkeit
Überdies drohe zwar Wohnungslosigkeit, nicht aber Obdachlosigkeit, da ein Einweisungsanspruch gegen die Stadt bestehe und die zuständige Behörde bereits über den Wohnungsverlust informiert sei.
Verfahrensgang:
- Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 11. April 2024, Aktenzeichen L 7 AS 131/24 B ER.
- Sozialgericht Frankfurt, Urteil vom 19. März 2024, Aktenzeichen S 5 AS 164/24 ER.
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