Das Bundessozialgericht hat bereits am 09.12.2020 entschieden, dass privat aufgenommene Darlehen von Bürgergeld-Empfängern nicht als Einkommen angerechnet werden dürfen. Angesichts des knapp bemessenen Bürgergeld-Regelsatzes können Hilfebedürftige ihre Leistungen mit einem privaten Kredit aufstocken, ohne eine Kürzung des Jobcenters befürchten zu müssen – unabhängig vom Zweck des Darlehens.
Situation der Klägerin vor dem Antrag
Klägerin war eine Frau aus dem Raum Jena. Die Frau arbeitete zwischen November 2010 und Mai 2013 als Rechtsreferendarin und wissenschaftliche Hilfskraft, bevor sie im August 2013 wieder in den juristischen Vorbereitungsdienst eintrat, der die Befähigung zum Richteramt vermittelt. Parallel zur Ausbildung schloss sie ein Fernstudium in Kriminologie und Polizeiwissenschaft ab. Um die Zeit zwischen Arbeit und Vorbereitungsdienst zu überbrücken, beantragte sie beim Jobcenter für die Monate Juni und Juli 2013 Hartz IV, das heutige Bürgergeld.
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Keine Bedürftigkeit – Antrag abgelehnt
Bereits im Vorfeld hatte die Klägerin ein privates Studiendarlehen aufgenommen. Die Bank zahlte ihr 800 Euro im Monat von April 2012 bis Dezember 2013 aus. Weiteres Einkommen oder Vermögen lag nicht vor. Dieses Darlehen sah das Jobcenter als Grund genug, den Antrag auf SGB II Leistungen abzulehnen. Aus Sicht der Behörde sei ihr Lebensunterhalt bereits durch die monatlichen Zahlungen aus dem Darlehen in ausreichender Form gesichert, eine Hilfebedürftigkeit liege nicht vor.
BSG: Kredit schließt Hilfebedürftigkeit nicht aus
Das Bundessozialgericht folgte dieser Auffassung in dritter Instanz nicht. Das Studiendarlehen könne nicht als Einkommen berücksichtigt werden, da Kredite als „lediglich vorübergehend zur Verfügung gestellte Leistung“ gelten. Schließlich stelle ein zurückzuzahlendes Darlehen keinen wertmäßigen Zuwachs zur endgültigen Verwendung dar, der eine Hilfebedürftigkeit ausschließen würde.
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Anders läge die Situation einzig bei „Zuflüssen aus darlehensweise gewährten Sozialleistungen“. Ein Studienkredit kann jedoch auch dann nicht dazu gezählt werden, wenn es von der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) gefördert wird. Der Zweck des Darlehens spiele – entgegen der Auffassung des Jobcenters – keine Rolle, andernfalls wären auch Verbraucherkredite für Leistungsempfänger „sinnlos“, erklärten die obersten Sozialrichter. Leistungsempfänger würden sich zur Rückzahlung verpflichten, ohne letztendlich mehr Geld zur Verfügung zu haben.
Bürgergeld und Kredit in Kombination möglich
Laut Urteil des Bundessozialgerichts sei eine Kombinierung von Darlehen und Bürgergeld Leistungen in Übergangzeiten also durchaus rechtskonform:
Im Rahmen der Eigenverantwortung ist es jedoch auch für Hilfebedürftige nicht ausgeschlossen, ihren Lebensstandard für die Übergangszeit des Leistungsbezugs durch Darlehen, für die sie später selbst einzustehen haben, auf einem Niveau zu erhalten, das unabhängig von der Höhe der Grundsicherungsleistungen ist.
Bürgergeld und Minijob – was bleibt übrig?
Verfahrensgang:
BSG, 08.12.2020, Az. B 4 AS 30/20 R
LSG Thüringen, 23.10.2019, Az. L 7 AS
SG Altenburg, 14.10.2016, Az. S 36 AS 3751/13
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