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Bürgergeld-Urteil zur Schwärzung von Kontoauszügen für das Jobcenter

Münzen und Kugelschreiber auf geschwärztem Kontoauszug-Blatt

Jobcenter dürfen Kontoauszüge verlangen, um die Hilfebedürftigkeit von Bürgergeld Antragstellern zu prüfen. An diesem Recht und der entsprechenden Mitwirkungspflicht Betroffener gibt es wenig zu rütteln. Woran sich die Geister scheiden, ist die Frage: Müssen die Dokumente lückenlos und vollständig oder dürfen sie geschwärzt sein? Diesbezüglich hat das Sächsische Landessozialgericht (L 7 AS 535/21) ein Machtwort gesprochen und eine Entscheidung der Vorinstanz gewissermaßen in der Luft zerrissen. Kurzum: Zahlungsausgänge, die für den Anspruch auf Bürgergeld unerheblich sind, dürfen unkenntlich gemacht werden.

Lesetipp: Darf das Jobcenter Kontoauszüge verlangen?

Antrag auf Hilfe

Der Fall eines Ehepaares, das aufgrund der Pandemie sein Geschäft schließen und Bürgergeld beantragen musste, ist ein Musterbeispiel dafür, wie unterschiedlich die Rechtsauffassungen Betroffener, der Behörden und teils auch der Gerichte sind. Den Antrag stellte das Paar am 30. März 2020. Das Jobcenter bat daraufhin mehrfach um „die Kontoauszüge der letzten 3 Monate aller Girokonten lückenlos und vollständig“. Dies sei unter anderem nötig, um die Kosten der Unterkunft abrufen zu können.

Nachweis der Hilfebedürftigkeit nicht erbracht

Weil die Bürgergeld Bedürftigen die Vorlage der Kontoauszüge weder rechtlich noch tatsächlich für notwendig erachteten, wurden die Leistungen für die Zeit von März bis 2020 versagt. Es folgten ein Widerspruch und ein Widerspruchsbescheid. Der dann von den Betroffenen beschrittene Klageweg verlief zunächst holprig. Das Sozialgericht Dresden (S 6 AS 1423/20) stellte sich auf die Seite des Jobcenters und betonte, dass der Nachweis der Hilfebedürftigkeit nur durch die Vorlage aller Kontoauszüge erbracht werden könne.

LSG entscheidet über Rechtmäßigkeit der Bescheide

Eine Einschätzung, der das Sächsische Landessozialgericht im Rahmen der Berufung nicht folgte. Zwar hatte sich der Streit mit einem neuen Bewilligungsbescheid vom 14. Juli 2021 rein theoretisch erledigt und waren die Leistungen nachträglich gezahlt worden. Dennoch musste sich das Gericht im Rahmen einer Fortsetzungsfeststellungsklage mit der Rechtmäßigkeit der Bescheide aus dem Jahr 2020 befassen. Denn: Die Bürgergeld Bedürftigen hatten die Klage erweitert und Zinsen in Höhe von 4,0 Prozent für die verzögerte Zahlung gefordert. Juristen sprechen von Präjudizialität, da die Entscheidung maßgeblich für den Ausgang des erweiterten Rechtsstreits sein kann.

Kein Anspruch auf Zinsen

Vorweg: Den Wunsch nach Zinsen erfüllte das Landessozialgericht nicht und folgte hier den Ausführungen des Jobcenters, wonach die Belege erst im Juni 2021 vorgelegt worden waren. Dafür flogen der Behörde die ursprünglichen Bescheide um die Ohren. Zwar dürfe ein Leistungsträger das Bürgergeld versagen, wenn Betroffene ihren Mitwirkungspflichten nicht nachkommen. Das bedeute jedoch nicht, dass auch ungeschwärzte Kontoauszüge verlangt werden dürfen. Konkret heißt es dazu im Urteil:

„Das verpflichtet die Antragsteller von Leistungen grundsätzlich zur Vorlage der Kontoauszüge der letzten Zeit vor Antragstellung, jedoch mit der Einschränkung, dass die Angaben zu Empfängern nicht leistungserheblicher Zahlungsausgänge auf den Kontoauszügen geschwärzt werden können.“

Lesetipp: Kontoauszüge für das Jobcenter schwärzen

Bescheide waren nicht rechtskonform

Da keines der Mitwirkungsverlangen des Jobcenters den Hinweis enthielt, dass einzelne Posten unkenntlich gemacht werden dürfen und auch nicht auf das „Merkblatt zur Vorlage der Kontoauszüge 08/2019“ verwiesen wurde, waren die Bescheide nicht rechtskonform. Der Hinweis, dass bei Bedarf Kontostände geschwärzt werden können, reiche nicht aus. Generell habe es angesichts der umfassenden Kommunikation von Amt und Bürgergeld Bedürftigen auch keinerlei Anhaltspunkte dafür gegeben, dass die Betroffenen nicht zur Mitarbeit bereit gewesen wären.

Titelbild; qvist / shutterstock