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Bürgergeld-Willkür: Jobcenter setzen bewusst auf veraltete Daten

Mann im verstaubten Büro

Das Bürgergeld hinkt der Realität in vielerlei Weise hinterher. Dieses Problem betrifft jedoch nicht nur Leistungsempfänger, sondern geht auch Steuerzahlern ans Portemonnaie. Denn wenn Jobcenter wissentlich mit völlig veralteten Zahlen arbeiten und damit Klagen provozieren, gehen die Kosten zulasten der Allgemeinheit. Beispiel gefällig: In Hamburg wird eine Couchgarnitur (3er, 2er und 1er) für einen Zwei-Personen-Haushalt mit 115 Euro veranschlagt. Stand der Daten: 1. Mai 2015.

Völlig veraltete Vorgaben

Nun stelle man sich vor, ein Bürgergeld Bedürftiger fängt bei null an und muss alles neu beantragen. Da stehen dann im Bewilligungsbescheid 115 Euro für die Couchgarnitur. Und alles, was man in Möbelhäusern erntet, ist ein beschämtes Lächeln. Selbst in Gebraucht- und Sozial-Kaufhäusern dürfte man mit diesem Betrag gegen Wände laufen. Das wissen die meisten Jobcenter-Mitarbeiter, sofern sie nicht komplett den Bezug zur Realität verloren haben.

Machtwort vom Gericht nützt nichts

Wider besseres Wissen werden demnach Beträge genehmigt, die vorn und hinten nicht passen, weil sie neun Jahre auf dem Buckel haben. Das hat schon das Landessozialgericht Hamburg moniert und eigene Internetrecherchen bei günstigen Möbelhändlern durchgeführt. Ergebnis: Für diesen Preis kann eine vierköpfige Familie kein geeignetes Sofa kaufen. Es spricht angesichts der in der Fachanweisung festgelegten Pauschale von „Bedenken“ und nennt die Zahlen „nicht ohne weiteres ausreichend“.

Obwohl die Entscheidung des LSG bereits vier Monate zurück liegt, hat das Jobcenter Hamburg es bisher nicht geschafft, die fachlichen Anweisungen zu überarbeiten und verwendet weiterhin uralte Zahlen. Es steht somit zu befürchten, dass den nächsten Bedürftigen offenkundig völlig unzureichende Leistungen auf dem Preisniveau von 2015 bewilligt werden. Erkennen Bedürftige diesen Missstand, wird das zu vermeidbaren Widersprüchen und Klagen führen. Wenn nicht, geht das Konzept für das Jobcenter auf.

Flächendeckendes Problem

Angesichts der Teuerung in den vergangenen Jahren dürfte diese Aussage nicht nur auf die besagte Couchgarnitur zutreffen. Viele der Werte für eine Bürgergeld Erstausstattung liegen vermutlich weit unter dem, was inzwischen marktüblich ist oder am Gebrauchtmarkt verlangt wird. Insofern ist es absolut unverständlich, dass weiterhin mit solchen Zahlen gearbeitet wird – und das nicht nur in Hamburg. Im Schnitt dürften die Fachanweisungen der Jobcenter auf Daten beruhen, die fünf bis zehn Jahre alt sind.

Mitarbeiter lassen es auf Klage ankommen

Die meisten Bürgergeld Bedürftigen werden aus Angst vor Repressalien den Mund halten und die Kröte schlucken. Doch zum Glück gibt es auch jene, die wehrhaft sind und sich nicht alles gefallen lassen. Dass Betroffene gegen die Bescheide vorgehen und auch das Recht dazu haben, ist den Jobcentern bewusst. Sie lassen es schlichtweg darauf ankommen und provozieren damit völlig unnötig Gerichtsverfahren oder Mehrarbeit, die anders besser investiert wäre. Auch so kann man Geld verplempern und die Mehrausgaben den Bürgergeld-Empfängern auf den Deckel schreiben.

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Titelbild: Stokkete / shutterstock