Idee gut, Umsetzung mangelhaft: Der Ansatz beim Wohngeld Plus, mehr Haushalten die Chance auf Unterstützung einzuräumen, wird allseits begrüßt. Der Rattenschwanz an Formularen und Bürokratie dahinter schreckt allerdings viele ab und sorgt inzwischen für Bearbeitungszeiten von nahezu zwei Jahren. Da kann es – berichten einige Gemeinden – durchaus vorkommen, dass Antragsteller versterben, ehe der Antrag abschließend geprüft ist. Daher fordern immer mehr Verwaltungen, die bürokratischen Hürden endlich einzureißen.
1,5 Millionen mehr Wohngeldberechtigte
Den Kreis der Wohngeldberechtigten von 595.000 auf zwei Millionen auszuweiten, indem die Einkommensgrenzen nach oben verschoben werden, heißt auch: Die Zahl der Anträge nimmt rapide zu. Viele Gemeinden haben darauf reagiert. In München wurden im Rahmen der Wohngeld-Plus-Reform etwa 60 neue Stellen geschaffen. Dennoch stapeln sich die Anträge auf den Schreibtischen. Menschen, die teilweise dringend auf das Geld angewiesen sind, warten in der bayerischen Landeshauptstadt bis zu 20 Monate, ehe alles in trockenen Tüchern ist.
Antragsflut bremst Behörden aus
Andernorts sieht es nicht besser aus. Die Ämter sind vollkommen überfordert. Daran ändern auch Kurzbescheide und Vorschusszahlungen nichts. Denn auch in dem Fall müssen die Anträge von A bis Z geprüft werden – und das nimmt viel Zeit in Anspruch. Der Grund: Statt den digitalen Weg zu beschreiten und auf vorhandene Daten zurückzugreifen, vom Finanzamt oder dem Bankkonto, läuft alles händisch auf Papierformularen. Hauptargument für diese antiquierte Vorgehensweise: der Datenschutz.
Reibungsloser Start war ausgeschlossen
Das Institut der Deutschen Wirtschaft (iW) in Köln hat schon zur Einführung des Wohngeld Plus vor diesem Problem gewarnt und eine Verdreifachung der Anträge prognostiziert. Ein reibungsloser Start sei ausgeschlossen. „Hier rächt sich, dass die Antragstellung nicht schon lange digitalisiert und online möglich ist“, schrieb das iW im Februar 2023.
Forderung: Vereinfachung und Entbürokratisierung
Nach einem Jahr Wohngeld Plus bewahrheitet sich die Aussage. Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) und Bauminister Christian Bernreiter (CSU) fordern daher unisono dringend Vereinfachungen und eine Entbürokratisierung. „Damit alle Bürgerinnen und Bürger die ihnen zustehende Leistung schnell erhalten“, so Bernreiter gegenüber der „Augsburger Allgemeinen“.
Optimierung der Abläufe
Die größten Fehler sehen die Politiker in den „vielen aussichtslosen Anträgen“ und der Bürokratie. Die Bearbeitung an sich dauere zwei bis acht Wochen. Man komme jedoch nicht mehr gegen die Flut neuer Anträge an. München plant daher, ein vereinfachtes Antragssystem zu etablieren. Ein Schritt, den Dr. André Berghegger, Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, begrüßt. Sein Wunsch: „Verfahrens- und Prozessabläufe müssen weiter optimiert, also durchgängig digitalisiert und aufeinander abgestimmt werden.“ Sonst würden zu viele Bedürftige schlicht abgeschreckt und stellten erst gar keinen Antrag. Ebenso wichtig sei, den sozialen Wohnungsbau endlich voranzutreiben.