Das Bundeskabinett hat am heutigen Mittwoch die Formulierungshilfe zu arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen der Wachstumsinitiative beschlossen und damit den Weg frei gemacht, unter anderem die Bürgergeld Verschärfungen voraussichtlich ab 2025 einzuführen – insbesondere bei den Sanktionen gegen Hilfebedürftige zieht die Bundesregierung die Zügel straffer. Ebenso soll die Karenzzeit auf Schonvermögen halbiert werden.
Was ist eine Formulierungshilfe?
Der Beschluss basiert auf einer sogenannten Formulierungshilfe. Dabei handelt es sich um einen Textentwurf, den die Bundesregierung für Fraktionen im Parlament vorbereitet. Diese Vorlage dient dazu, Gesetzgebungsprozesse zu beschleunigen – in Stein gemeißelt ist damit noch nichts, da die Abgeordneten noch Änderungen mit einfließen lassen können.
Wichtige Änderungen im Überblick:
- Schärfere Sanktionen beim Bürgergeld: Wer zumutbare Arbeit oder Maßnahmen ablehnt (sog. Arbeitsverweigerer), muss sofort mit einer Leistungskürzung von 30 Prozent für drei Monate rechnen, anstatt einer schrittweisen Kürzung. Auch bei versäumten Terminen (Meldeversäumnissen) wir der Regelbedarf auch direkt um 30 Prozent gemindert, anstatt wie bisher zehn Prozent für einen Monat belaufen.
- Härtere Maßnahmen gegen Schwarzarbeit: Jobcenter müssen Verdachtsfälle an den Zoll melden, dazu sollen sie gesetzlich verpflichtet werden. Neben einer Rückzahlung der zu Unrecht erhaltenen Leistungen durch nachgewiesene Schwarzarbeit werden zusätzlich 30 Prozent Leistungsminderungen als Strafe auf das Bürgergeld verhängt..
- Verkürzung der Karenzzeit für Vermögen: Die Karenzzeit auf Schonvermögen wird von zwölf auf sechs Monate verkürzt.
- Anschubfinanzierung für Langzeitarbeitslose: Langzeitarbeitslose, die eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung für mindestens zwölf Monate aufnehmen, erhalten nach Ablauf dieser Zeit eine Prämie von 1.000 Euro. Voraussetzung ist allerdings, dass die letzten sechs Monate der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung bedarfsdeckend sein sollen. Unklar ist derweil ob die Bedarfsdeckung nur für den Beschäftigten oder für die gesamte Bedarfsgemeinschaft gilt. Zudem soll nach Auszahlung der Anschubfinanzierung eine 24-monatige Sperrzeit für eine weitere Prämie gelten. Zudem soll die Prämie nicht als Einkommen bei Sozialleistungen angerechnet werden.
- Zumutbarkeit längerer Pendlerzeiten: Bei Tätigkeiten über sechs Stunden täglich sollen tägliche Pendlerzeiten von drei Stunden als zumutbar gelten. Bei weniger als sechs Stunden Tätigkeit sollen es zweieinhalb Stunden sein.
- Integrationspraktikum für Flüchtlinge: Unterstützung für Flüchtlinge und Arbeitgeber, um den Arbeitsmarkteintritt zu erleichtern.
- Erweiterung der Zeitarbeit: Fachkräfte aus dem Ausland sollen verstärkt in Zeitarbeit integriert werden.
- Job-Turbo für Flüchtlinge: Arbeitgeber, die Flüchtlinge mit geringen Deutschkenntnissen einstellen, können Entgeltzuschüsse erhalten.
- Erleichterte Beschäftigung von Geduldeten und Gestatteten: Genehmigungsfiktion bei Beschäftigungserlaubnissen soll mehr Rechtssicherheit schaffen.
Wie läuft das Gesetzgebungsverfahren weiter ab?
Nachdem nun das Bundeskabinett den Entwurf verabschiedet hat, beginnt das parlamentarische Verfahren. Gesetzesentwürfe werden im Bundestag diskutiert, überarbeitet und beschlossen. Auch der Bundesrat kann mitentscheiden, besonders bei Gesetzen, die die Länder betreffen. Damit das Gesetz in Kraft tritt, müssen sowohl Bundestag als auch Bundesrat zustimmen.
Zumutbarkeit von Arbeitsangeboten und Integration von Geflüchteten
Diese Maßnahmen zielen nach Angaben des Bundesarbeitsministeriums unter Hubertus Heil (SPD) darauf ab, sowohl das Arbeitsmarktpotenzial besser zu nutzen als auch den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken. Mit dieser Initiative reagiert die Bundesregierung den eigenen Angaben zu Folge auf die aktuellen Herausforderungen im Arbeitsmarkt und setzt klare Anreize für mehr Eigenverantwortung und Integration.
Das Bundesfinanzministerium hat am 05.07.2024 die Wachstumsinitiative veröffentlicht, auf der die aktuell Formulierungshilfe des Bundesarbeitsministeriums fußt. Ein Punkt aus der ursprünglichen Fassung des BMF fehlt bei den Änderungen zum Bürgergeld. Hier hatte man zunächst in Aussicht gestellt, über die Anrechnung von Einkommen auf Sozialleistungen zu beraten und möglicherweise zu verbessern – im Fachjargon „Abschmelzung der Transferenzugsraten“. Ebenso wollte man auch darüber beraten, für Erwerbstätige, die mit Bürgergeld aufstocken, ein Wahlrecht zwischen Bürgergeld und Wohngeld im Verbindung mit dem Kinderzuschlag einzuführen. Diese Punkte können sich aber noch im Rahmen des parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren ergeben.
Bildnachweis: Heide Pinkall/ shutterstock.com