Das Hauen und Treten geht weiter: Immer mehr Politiker äußern sich kritisch zum Moratorium, das noch bis Mitte kommenden Jahres für Hartz IV Sanktionen gilt. Nachdem CSU-Chef Markus Söder sich im Bierzelt bereits darüber echauffiert hatte, folgt jetzt Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU). Auch er nennt den Verzicht auf Leistungskürzungen einen „schweren Fehler“ und fordert einen deutlich härteren Kurs gegen Hartz IV Bedürftige.
Das Sanktionsmoratorium
Zur Erinnerung: Die Regierung hat sich nach heftigen Diskussionen auf ein Sanktionsmoratorium geeinigt. Kürzungen der Hartz IV Regelsätze sind seither nur noch bei wiederholten – also nicht direkt beim ersten Verstoß – Meldeversäumnissen möglich. Ab Juli 2023 wird es dann, so sieht das Bürgergeldgesetz vor, wieder Sanktionen mit Leistungsminderungen von bis zu 30 Prozent geben.
Sanktionen stellen Hartz IV Bedürftige unter Generalverdacht
Verzicht auf Kürzungen nicht nachvollziehbar
Diese Entscheidung, mit der die Ampel auch auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts reagiert hat, ist für viele Unionspolitiker nach wie vor nicht nachvollziehbar. Sie stellen gerne die 1,6 Millionen Hartz IV Bedürftigen den 1,9 Millionen offenen Stellen gegenüber.
Jobvermittlern werde die lange Nase gezeigt
Und jetzt, da aus den Arbeitsagenturen verlaute, die Mitarbeiter hätten keine Handhabe mehr, würde den Jobvermittlern die lange Nase gezeigt. Das gelte, schränkt Thomas Strobl ein, für jene,
„die Termine nicht wahrnehmen, sich nicht für Jobangebote, Weiterbildungsmaßnahmen und dergleichen mehr interessieren.“
Am Prinzip Fördern und Fordern festhalten
Daher plädiert auch Baden-Württembergs Innenminister dafür, beim Bürgergeld weiterhin am Prinzip „Fördern und Fordern“ festzuhalten. Aus seiner Sicht handle es sich bei Hartz IV heute bereits um ein bedingungsloses Grundeinkommen. Dass diese Aussage schlichtweg falsch ist, steht auf einem anderen Blatt.
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Diakonie: Menschen wollen arbeiten
Gegenwind bekommt Thomas Strobl unter anderem von der Diakonie Württemberg. Deren Vorsitzende Annette Noller erklärte gegenüber der Deutschen Presse-Agentur:
„Unsere Erfahrung ist, dass arbeitslose Menschen in den meisten Fällen auch arbeiten wollen, dass sie unter ihrer Situation leiden.“
Betroffene fördern
Betroffenen müssten begleitet und gefördert werden, so Noller. Wenn überhaupt, dürften Sanktionen nur behutsam angewandt werden, „um Menschen einen Anschub zu geben“. Ansonsten drohe ein Drehtüreffekt. Unter Druck würden Jobs angenommen, bei denen die innere Akzeptanz fehle oder bei denen man schlichtweg überfordert sei.
Der Schuh muss passen
Wogegen sich die Diakonie besonders verwehrt, ist die Milchmädchenrechnung Strobls.
„Offene Stellen und die Zahl arbeitsloser Hartz-IV-Empfänger kann man nicht 1:1 vergleichen“,
betont die Vorsitzende. Der Schuh müsse zu den Füßen passen. Oder anders ausgedrückt: Ein Lagerarbeiter wird nicht von heute auf morgen zur Pflegekraft.
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Schwarze Schafe bestrafen
Thomas Strobl ruderte zumindest ein wenig zurück und bezog seine Aussage schließlich nur noch auf die „schwarzen Schafe“. Allen, die sich nicht bemühen oder die Termine nicht wahrnehmen, müssten die Leistungen gekürzt werden, und zwar „nicht unmenschlich, aber in einem sorgfältig ausdifferenzierten, abgewogenen System“.
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