Bürgergeld Empfänger wurden durch die letztmalige Anpassung der Regelsätze besser gestellt als Arbeitnehmer: Dieser Vorwurf – oder die Angst – treibt viele um. Wenn es nur dieser Punkt ist, auf dem die aktuelle Bürgergeld Debatte basiert, kann man sie gleich wieder beenden. Denn der Mindestlohn ist seit seiner Einführung im Jahr 2015 deutlich stärker gestiegen als das Bürgergeld. Hier stehen 50,8 Prozent einem Wert von 41,1 Prozent gegenüber.
Zuverdienst beim Bürgergeld – wie viel bleibt anrechnungsfrei?
Arbeit lohnt sich
„Arbeit muss sich lohnen“ oder etwas ausführlicher „wer arbeitet, muss mehr haben als jemand, der nicht arbeitet“. Insbesondere Unionspolitiker bemühen diese Aussage wie eine Gebetsmühle. Sie haben schon vor der Einführung des Bürgergelds mit den höheren Sozialleistungen gehadert und teils sehr bildhaft von der sozialen Hängematte gesprochen. Zahlen, die dabei im Raum standen, haben einer Prüfung bislang nie standhalten können. Oder anders ausgedrückt: Einen Beweis, dass Bürgergeld Bedürftige es besser haben, sind die Kritiker bislang schuldig geblieben.
Vergleichsrechnung von 2015 bis 2025
Auf der anderen Seite gibt es reichlich Rechenbeispiele, die zum Ausdruck bringen, dass Arbeit sich immer lohnt – nicht nur jetzt im Portemonnaie, sondern auch später bei der Rente. Das Bremer Institut für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe (BIAJ) fügt dieser Liste einen neuen Vergleich hinzu: die Entwicklung von Mindestlohn und Bürgergeld Regelsatz im Zeitraum von 2015 bis 2025/26.
Gleichschritt bis 2021
Ausgangspunkt ist das Jahr, in dem erstmals verbindlich ein Mindestlohn definiert wurde: 2015. 8,50 Euro standen seinerzeit zu Buche. Der Hartz IV Regelsatz für einen Single betrug zum damaligen Zeitpunkt 399 Euro. Führt man diese Zeitreihe weiter bis ins Jahr 2021 (9,50 Euro Mindestlohn und 446 Euro Bürgergeld in der Regelbedarfsstufe 1), stand auf beiden Seiten ein Plus von 11,8 Prozent. Das heißt, beide Bereiche haben sich weitgehend im Gleichschritt entwickelt.
10 Prozentpunkte Differenz
Danach aber, ab 2021 (im Juli des Jahres wurde der Mindestlohn auf 9,60 Euro angehoben), entwickelt sich die Kurve aufseiten der Arbeitnehmer deutlich schneller nach oben. Das Bürgergeld für einen alleinstehenden Erwachsenen beträgt seit dem 1. Januar 2024 – in 2025 gab es keine Erhöhung – 563 Euro pro Monat, was einem Plus von 41,1 Prozent seit 2015 entspricht. Der Mindestlohn wiederum – seit 2025 müssen 12,82 Euro je Stunde gezahlt werden – stieg um 50,8 Prozent. Heißt: Bürgergeld Bedürftige werden eben nicht gleichgestellt.
Anpassung des Mindestlohns: 7,8 Prozent jährlich
Das belegen auch die Zahlen zum nominalen Anstieg pro Jahr. Seit 2015 ist der Mindestlohn jährlich um durchschnittlich 4,2 Prozent gestiegen, Bürgergeld um 3,5 Prozent. Seit 2021 stehen 7,8 Prozent 6,0 Prozent gegenüber.
Gleichstand erst bei 602 Euro Bürgergeld
Mit dem Jahreswechsel 2024 / 2025 wurde der Mindestlohn von 12,41 Euro auf 12,82 Euro angehoben, was einer Steigerung von 50,8 Prozent seit 2015 entspricht. Nähme man diesen Wert, bezogen Bürgergeld, müsste ein Single aktuell 602 Euro Grundsicherung für Arbeitssuchende erhalten. Das ist allerdings dank der diesjährigen Nullrunde nur Wunschdenken.
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