Nicht hören, nicht sehen, aber viel sprechen. Vor den Problemen und der Ausgrenzung Bürgergeld-Bedürftiger verschließt man die Augen. Mahnende Worte aus fundierten Studien stoßen auf taube Ohren. Stattdessen leiern CDU-Politiker immer wieder die gleiche Forderung nach Zwangsarbeit herunter. Den Grund nannte der CDU-Obmann im Ausschuss für Arbeit und Soziales, Marc Biadacz im Gespräch mit der „Welt am Sonntag“: „Das Bürgergeld ist gescheitert.“
Bedürftige mit Sanktionen motivieren
Eine Neuerung, deren zweite Stufe erst vor sieben Wochen „gezündet“ wurde, als gescheitert zu bezeichnen, ist gewagt. Das gilt umso mehr, wenn man die Begründung liest. Laut Marc Biadacz müssten Betroffenen stärker zur Arbeit motiviert werden. Weil es an weitreichenden Sanktionen fehle, sei dies aber nicht der Fall.
Bis zu 30 Prozent Minderung sind möglich
Zunächst einmal: Sanktionen, die jetzt Leistungsminderungen heißen, sind nach wie vor an der Tagesordnung. Das gilt für Meldeversäumnisse ebenso wie für Pflichtverletzungen. Oder anders ausgedrückt: Wer sich als Bürgergeldempfänger nicht an die Spielregeln hält, dem dürfen bis zu 30 Prozent der Regelleistungen (die Kosten für Unterkunft und Heizung bleiben außen vor) gekürzt werden.
Bürgergeld-Bedürftige als Müßiggänger beleidigt
CDU widerspricht Bundesverfassungsgericht
Härtere Sanktionen zu fordern, wie jetzt seitens der CDU, der Freien Wähler in Bayern oder der AfD, widerspricht überdies einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Demnach ist es nicht mit dem Grundgesetz vereinbar, wenn Minderungen die Höhe von 30 Prozent übersteigen oder gar komplett gestrichen werden (Urteil vom 5. November 2019, Aktenzeichen 1 BvL 7/16). Dieses Urteil ist einer der Gründe, weshalb die alten Hartz-IV-Regeln überarbeitet werden mussten. Das ist bei der Union und Ewig-Gestrigen vielleicht noch nicht angekommen.
Comeback des Vermittlungsvorrangs
Neben den Sanktionen hat der CDU-Obmann noch ein zweites Manko beim Bürgergeld entdeckt: Die Ampel hat sich vom Vermittlungsvorrang verabschiedet. Dieser Schritt müsse, so Marc Biadacz, wieder rückgängig gemacht werden. Dann kämen auch wieder mehr Menschen in Arbeit.
Kurzzeit-Jobs statt Perspektive
Kurz zur Information: Zu Zeiten des Vermittlungsvorrangs konnten Jobcenter Betroffene in jede Arbeit vermitteln. Jetzt konzentriert man sich mehr auf Aus- und Weiterbildung. Und das hat einen triftigen Grund. Wer zu einer Arbeit gezwungen wird, die nicht seinen Fähigkeiten und Interessen entspricht, sitzt binnen weniger Wochen wieder am Schreibtisch des Sachbearbeiters. Mit diesem Drehtüreffekt und Kurzzeit-Jobs ist niemandem geholfen – auch nicht der Wirtschaft.
Qualifizierung für Langzeitarbeitslose
Die CDU übersieht schlichtweg, dass 60 Prozent der Langzeitarbeitslosen keine Ausbildung haben. Hier könnte das Bürgergeld ansetzen, indem die Qualifizierung stärker in den Blick genommen wird. So verspricht es zumindest der finanzpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Michael Schrodi. Nur damit schaffe man nachhaltige Perspektiven.
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Kürzungen lassen Bürgergeld scheitern
Mit diesem nach vorn gerichteten und eher mittel- bis langfristigen Ansatz kann das Bürgergeld noch gar nicht gescheitert sein, weil es überhaupt keine Chance hatte, sich zu beweisen. Allerdings konterkariert die Bundesregierung ihre eigenen Ideen, indem sie fleißig am jungen Spross namens Bürgergeld sägt und die Mittel für den Kampf gegen Langzeitarbeitslosigkeit kürzt. Damit verfestigt sich das Problem höchstens.
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