Jeden Job annehmen oder sanktioniert werden: Zu Zeiten von Hartz IV war diese Wenn-Dann-Logik an der Tagesordnung und basierte auf dem Vermittlungsvorrang. Diese Vorgabe verursachte viele Probleme und wurde mit dem Bürgergeld ad acta gelegt. Gut so. Denn im Jahr 2022 zeigte sich einmal mehr, dass eine Vermittlung um der Vermittlung willen viele schneller wieder in die Arme des Jobcenters treibt, als der Bundesagentur für Arbeit (BA) lieb sein kann.
Nur 51 Prozent schaffen es
Die Zahlen stammen aus einer Sonderauswertung der BA, die der Zeitung „Die Welt“ exklusiv vorliegt und von der AfD-Fraktion angefragt wurde. Demnach gelang 2022 nur in 51 Prozent der Fälle eine bedarfsdeckende Integration. Das heißt: Betroffene sind nach drei Monaten nicht mehr auf das Bürgergeld, seinerzeit Hartz IV, angewiesen.
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49 Prozent sind weiter auf Hilfe angewiesen
49 Prozent haben es nicht geschafft. Sie mussten wieder beim Jobcenter vorstellig werden. In Zahlen galt dies im vorigen Jahr für 413.175 Bürgergeld Bedürftige. Man spricht in dem Zusammenhang vom Drehtüreffekt. Kaum, dass man der Behörde den Rücken gekehrt hat, wird man wieder bei der Sachbearbeiterin oder dem Sachbearbeiter vorstellig.
Familien mit Kindern haben es schwerer
Besonders oft davon betroffen waren laut Sonderauswertung Bedarfsgemeinschaften mit Kindern. Hier lag die Quote derer, die wieder Grundsicherung bezogen, bei 37,4 Prozent. Die besten Chancen haben Personen unter 25 Jahren, die den Weg aus dem Bürgergeld zu 56,6 Prozent schafften, und Alleinstehende (61,1 Prozent).
Bedingt aussagekräftige Zahlen
Während die AfD von einer katastrophalen Bilanz spricht, hält Jochen Wolff vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) die Zahlen für „nur bedingt aussagekräftig“. Einerseits hätten Betroffene oft ein eher geringes Erwerbseinkommen-Potential und seien lange nicht im Arbeitsmarkt gewesen. Andererseits habe 2022 noch der Vermittlungsvorrang gegolten, der Bürgergeld Bedürftige zwang, den erstbesten Job anzunehmen.
Jobcenter zweigen Bürgergeld Fördergelder in eigene Verwaltung
Richtige Maßnahmen können viel bewegen
Jochen Wolff ist überzeugt, dass Jobcenter mit den richtigen Maßnahmen – wie sie im Bürgergeld vorgesehen seien, etwa die Qualifizierung und Fortbildung – viel bewegen könnten. Wenn Fördermaßnahmen passgenau seien, wirkten sie tatsächlich. Das sei durch mehrere Studien nachgewiesen worden. Holger Schäfer vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) sieht die Möglichkeiten nicht ganz so rosig. Geringe Einkommen deckten kaum den Bedarf einer größeren Familie. Ob die Jobcenter mit dem Bürgergeld an diesem Punkt ansetzen können – eine Prognose dazu wagen die Experten nicht.
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