Doppel-Wumms oder doch eher unausgegoren? Die Empfehlungen der Gaspreiskommission, wie Verbraucher angesichts der hohen Energiepreise entlastet werden können, basieren mal wieder auf dem Gießkannenprinzip. Statt gezielt einkommensschwache Haushalte, Rentner und Personen, die auf Grundsicherung wie Hartz IV angewiesen sind, zu unterstützen, gibt es das volle Programm auch für jene, die es gar nicht nötig hätten. Vor allem aber: Die geplante Einmalzahlung könnte für Hartz IV Empfänger zum Bumerang werden.
Einmalzahlung – Schnelle Lösung statt zielgenauer Hilfe
Es scheint bald so, als hätte man schnell eine Lösung präsentieren wollen. Die Details ergeben sich dann schon. Damit schafft man allerdings weit mehr Verunsicherung, als dass man den Menschen hilft. Geplant ist, im Dezember eine Einmalzahlung zu leisten, die auf dem Gas-Abschlag für den Monat September beruht. Das gilt für alle Haushalte, unabhängig von der finanziellen Situation.
Dazu heißt es im Papier „Sicher durch den Winter – Zwischenbericht“ der ExpertInnen-Kommission Gas und Wärme vom 10.10.2022:
„Diese Einmalzahlung dient als finanzielle Brücke bis zur regulären Einführung der Gaspreisbremse.“
Ungeklärtes Detail: Wird die Zahlung angerechnet?
Doch es gibt da noch ein paar ungeklärte Aspekte, die für Probleme bei Hartz IV Bedürftigen sorgen könnten und auch die Jobcenter unnötig mit zusätzlicher Arbeit belasten. Den Stein ins Rollen gebracht hat Inge Hannemann, früher selbst Jobcenter-Mitarbeiterin. Sie fragt auf Twitter berechtigterweise, wie mit der Einmalzahlung bei Hartz IV Bezug verfahren wird. Rechnen die Ämter das Geld als Einkommen an oder gibt es möglicherweise sogar Rückforderungen?
Mögliche Szenarien
Da die Expertenkommission dieses Detail offenbar übersehen und gar nicht bedacht hat, wird diesbezüglich inzwischen eine Reihe möglicher Szenarien diskutiert und publiziert. Da das Jobcenter die Heizkosten im Rahmen der Kosten für Unterkunft und Heizung (KdU) bereits in angemessener Höhe übernimmt, könnte der Betrag durchaus zurückgefordert werden, ähnlich einer Nebenkostenerstattung.
Zweckgebundene Leistung
Auf der anderen Seite ist denkbar, dass die Einmalzahlung als zweckgebundene Leistung gemäß § 11a Abs. 3 SGB II gewertet wird. Hierzu heißt es im Gesetz:
„Leistungen, die aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften zu einem ausdrücklich genannten Zweck erbracht werden, sind nur so weit als Einkommen zu berücksichtigen, als die Leistungen nach diesem Buch im Einzelfall demselben Zweck dienen.“
Doch auch in diesem Fall wäre mit einer Anrechnung auf Hartz IV zu rechnen, da die Kosten für Heizung und Warmwasser bereits im Rahmen der KdU übernommen werden, so dass eine Einmalzahlung für Gaskunden im Leistungsbezug demselben Zweck dienen wie die SGB II Leistungen.
Energiepreispauschale nach § 122 EStG
Anrechnungsfrei wäre die Einmalzahlung, wenn sie ausdrücklich ebenfalls als Energiepreispauchale deklariert würde, wie sie bereits seit September 2022 von den Arbeitgebern gezahlt wird. In diesem Fall dürfte dieses Einmalzahlung nach § 122 EStG nicht als Einkommen angerechnet werden, so das Gesetz:
„Die Energiepreispauschale ist bei einkommensabhängigen Sozialleistungen nicht als Einkommen zu berücksichtigen.“
Aber für die Nichtanrechnung müsste die Einmalzahlung als Einkommen gelten und nicht beispielsweise als Minderung der KdU für den Monat der Auszahlung.
Es muss also eine klare Regelung zur Anrechnung oder Nichtanrechnung der Einmalzahlung für Gaskunden geben, da die Gesetzestexte eine Menge Interpretationsspielraum bieten, was auch viel Ärger bei den Hilfebedürftigen als auch enormen Aufwand bei den Jobcentern verursachen würde. Und das ist genau das, was man in der aktuellen Zeit nicht braucht – weitere Unsicherheit.
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Viel Kritik am Vorschlag der Kommission
Die Debatte darüber ist allerdings eher müßig. Denn letztlich entscheidet mal wieder die Politik, wie mit dem Geld verfahren wird. Die bisherigen Bemühungen und Ideen, Haushalte zu entlasten, treffen aktuell ohnehin nicht auf sonderlich viel Gegenliebe.
Luftnummer: Bürger werden veralbert
Dietmar Bartsch von „Die Linke“ schreibt auf Twitter:
„Diese #Gaspreisbremse droht zur Luftnummer zu werden, die Bürger veralbert und Betriebe ruiniert. Wer seine Villa mit Pool mollig warm heizt, bekommt einen fetten Rabatt aller Steuerzahler, die alleinstehende Rentnerin, die seit Jahren sparen muss, fast nichts.“
Nachbesserungen nötig
Auch der Paritätische Wohlfahrtsverband fordert Nachbesserungen.
„Eine Gaspreisbremse muss sozial orientiert und sozial gerecht ausgestaltet werden“,
fordert der Hauptgeschäftsführer Dr. Ulrich Schneider. Die Einmalzahlung helfe einkommensschwachen Haushalten wenig, zumal die Belastung auch durch die Lebensmittelpreise immer weiter steige.
Nötig sei eine zielgenaue Entlastung. Dazu zählt Dr. Ulrich Schneider auch eine „schnellstmögliche pauschale Erhöhung der Regelsätze um 200 Euro“. Nur so würden „ärmere Menschen vor Hunger und Kälte geschützt“.
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Bis zu 15 Millionen Menschen leiden
Der Vorstand des Paritätischen Brandenburg, Andreas Kaczynski, ergänzt: „Im April (Anmerkung: Ab April 2023 soll der Gaspreis gedeckelt werden.) neigt sich der Winter bereits dem Ende zu. Die Menschen brauchen jetzt sofort Hilfe.“ Betroffen seien zehn bis 15 Millionen Menschen „die schon heute nicht wissen, wie sie morgen noch ihre Miete, ihr Essen oder den Busfahrschein bezahlen sollen“.
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