Im Kampf für die Rechte von Bürgergeld Bedürftigen haben sich die Grünen mit einer billigen Finte abspeisen lassen. Statt sich den 100-Prozent-Sanktionen zu verweigern, die Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) auf den Weg bringen will, ist man bereits beim Zugeständnis einer Befristung der Maßnahme eingeknickt. Heißt: Die Ampel hat sich darauf geeinigt, die Totalsanktionierung auf zwei Jahre zu beschränken und dann neu zu entscheiden.
Gnadenloser Druck statt Augenhöhe
Dass Hubertus Heil eine Kehrtwende einlegt und von Augenhöhe auf gnadenlosen Druck umschwenkt, hätte zur Einführung des Bürgergelds wohl niemand erwartet. Der ständige Streit um die Grundsicherung für Arbeitssuchende und das Stochern von Union und FDP haben ihn dann doch mürbe werden lassen. Und wenn man schon zuschlagen will, dann doch bitte richtig: Also wurde für Totalverweigerer die Totalsanktion von 100 Prozent auf den Tisch gelegt.
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Totaler Regelsatzentzug
Bis zu zwei Monate lang nicht einen Cent vom Bürgergeld Regelbedarf, sondern nur noch die Kosten für Unterkunft und Heizung – wenngleich sich Obdachlosigkeit damit nicht wirklich verhindern ließe: Das droht Betroffenen, die sich weigern, eine Arbeit anzunehmen, oder ohne ersichtlichen Grund eine Maßnahme abbrechen – im Volksmund „Totalverweigerer“. Und wer nach zwei Monaten nicht geläutert ist, dem droht gleich wieder eine 100-prozentige Leistungsminderung.
Derzeit: maximal 30 Prozent
Aktuell dürfen bei Meldeversäumnissen – dem häufigsten Grund für Sanktionen – zehn Prozent für einen Monat und bei Pflichtverletzungen bis zu 30 Prozent des jeweiligen Regelsatzes gestrichen werden. Das deckt sich mit dem, was das Bundesverfassungsgericht gefordert hatte. Allerdings ließen die Richter in ihrer Urteilsbegründung ein Hintertürchen offen, falls jemand überhaupt keinen Willen zur Mitwirkung zeigt. Diesen Umstand macht sich die Ampel jetzt zunutze.
Grüne lehnten sich auf
Während SPD und FDP die Totalsanktion größtenteils befürworten, kam von den Grünen sofort Gegenwind. Bei 30 Prozent sei Schluss, so der Tenor. Oder aber, die Leistungsminderung müsse sich an der Bezahlung des ausgeschlagenen Jobs orientieren. Ein Vorschlag, der die Jobcenter enorm belasten würde. Also setzte man sich an den Verhandlungstisch und einigte sich, die 100-Prozent-Minderungen beim Bürgergeld auf zwei Jahre zu befristen.
Niemandem das Geld für Essen nehmen
Grünen-Fraktionsvize Andreas Audretsch glaubt an den großen Wurf:
„Wir haben dafür gesorgt, dass die Regelung automatisch wieder aus dem Gesetz verschwinden wird.“
Er ist also überzeugt, dass die Leistungsminderung für Totalverweigerer einer Überprüfung nicht standhält. Denn: Niemandem in Deutschland dürfe
„das nötige Geld für Essen und Trinken genommen werden“.
Eine Kürzung um 100 Prozent widerspreche zudem der Menschenwürde und damit Artikel 1 des Grundgesetzes. Warum man sich dann für die Totalsanktionierung ausspricht, bleibt fraglich.
Titelbild: KomootP / shuttersock.com