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Fristablauf: Bürgergeld Empfänger dürfen gegen Jobcenter klagen

Wer sich an die gesetzlichen Fristen hält und dann das Jobcenter wegen Untätigkeit verklagt, handelt nicht „treuwidrig“. Das ist die Kernaussage eines Urteils, das vom Bundesverfassungsgericht veröffentlicht wurde und die Rechte aller Hilfebedürftigen stärkt, die mit ihrem Jobcenter im Clinch liegen (1 BvR 311/22). Dabei ging es um die Erstattung außergerichtlicher Kosten, die das Sozialgericht einer Bürgergeld-Bedürftigen aus Gründen der Angemessenheit nicht zugestehen wollte.

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Jobcenter rechnet falsch

Der Fall ist an sich relativ unspektakulär, da Probleme wie diese für Bürgergeld-Empfänger seit jeher normal sind. Eine Leistungsempfängerin musste Widerspruch erheben, weil die Berechnung ihrer Leistungen auf Basis falscher Daten erfolgt war. Das Jobcenter hatte hier ein zu hohes Einkommen angesetzt. Die Kosten für das Widerspruchsverfahren sollten der Frau erstattet werden.

Sozialgericht wirft Betroffener Mutwilligkeit vor

Doch statt direkt zu überweisen, legte das Jobcenter die Hände in den Schoß und es passierte nichts. Nach Ablauf von sechs Monaten reichte die Frau daher eine Untätigkeitsklage beim Sozialgericht ein. Erst daraufhin wurde der ausstehende Betrag gezahlt. Und auch für dieses Verfahren beantragte die Bürgergeld-Empfängerin die Erstattung der außergerichtlichen Kosten. Doch damit biss sie beim Sozialgericht Darmstadt auf Granit.

Obwohl der Vorgang eigentlich eindeutig war und sich das Jobcenter nicht an Fristen gehalten hat – im Gegensatz zur Leistungsempfängerin – wurde ihre Klage vom Sozialgericht Darmstadt (Az.: S 16 AS 333/21) als „mutwillig“ bezeichnet. Sie hätte sich, statt direkt vor Gericht zu gehen, auch noch einmal mit dem Jobcenter in Verbindung setzen können. Weil sie das nicht tat, warf das Sozialgericht der Frau vor, ihrer Obliegenheit zur Schadensminderung nicht nachgekommen zu sein. Motto: Ein Anwaltsschreiben mit Fristsetzung hätte es auch getan.

Klage beim Bundesverfassungsgericht

Das wollte die Frau nicht akzeptieren. Sie reichte Verfassungsbeschwerde ein, unter anderem, weil mit dem Urteil das Willkürverbot (Artikel 3 Absatz 1 Grundgesetz: „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.“) verletzt werde. Und sie bekam Recht.

Sozialgericht hat nicht nachvollziehbar gehandelt

Die Untätigkeitsklage sei begründet und zulässig gewesen. Bei pflichtgemäßer Ausübung des Ermessens könne eine Kostenerstattung aus Gründen der Billigkeit zwar abgelehnt werden. „Hier hat das Sozialgericht das ihm eingeräumte Ermessen mit der Ablehnung der Kostenerstattung jedoch in nicht mehr nachvollziehbarer Weise gehandhabt“, so das Bundesverfassungsgericht. Das Urteil sei nicht nachvollziehbar aus geltendem Recht abgeleitet.

Klägerin hat Fristen eingehalten

Überdies bestehe keine Pflicht, sich nach Ablauf der gesetzlichen Frist erst noch einmal an den Leistungsträger zu wenden und auf eine ausstehende Entscheidung aufmerksam zu machen. Dass man erst noch einmal nachfragen müsse, werde nicht vom Gesetz gestützt. Die Frau habe mit der Untätigkeitsklage ihre „formale Rechtsposition ausgenutzt“ und damit nicht gegen Grundsatz von Treu und Glauben verstoßen. Denn: Sie habe sich an die vom Gesetzgeber geregelte Frist gehalten und somit nicht treuwidrig oder gar mutwillig gehandelt.

Titelbild: IhorL / shutterstock