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Fristablauf: Bürgergeld Empfänger dürfen das Jobcenter verklagen

Richterhammer mit Kalender November 2024

Wer sich an die gesetzlichen Fristen hält und dann wegen Untätigkeit Klage gegen das Jobcenter erhebt, handelt nicht „treuwidrig“. Das ist die Kernaussage eines Urteils, das vom Bundesverfassungsgericht veröffentlicht wurde und die Rechte aller Hilfebedürftigen stärkt, die mit ihrem Jobcenter im Clinch liegen (1 BvR 311/22). Dabei ging es um die Erstattung außergerichtlicher Kosten, die das Sozialgericht einer Bürgergeld-Bedürftigen aus Gründen der Angemessenheit nicht zugestehen wollte.

Jobcenter hat falsch gerechnet

Der Fall an sich ist eher unspektakulär, weil Probleme wie diese für Bürgergeld-Empfänger seit jeher an der Tagesordnung sind. Im Jahr 2020 hatte die Frau Widerspruch erhoben, weil die Berechnung der Leistungen auf Basis falscher Daten erfolgt war. Das Jobcenter hatte ein zu hohes Einkommen veranschlagt. Die Kosten für das Widerspruchsverfahren sollten der Frau erstattet werden.

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Widerspruchskosten wurden nicht erstattet

Doch statt direkt zu zahlen, hat das Jobcenter die Hände in den Schoß gelegt. Es passierte nichts. Nach sechs Monaten reichte die Frau daher direkt Untätigkeitsklage beim Sozialgericht Darmstadt ein. Erst daraufhin wurde der ausstehende Betrag überwiesen. Auch für dieses Verfahren bat die Bürgergeld Bedürftige um Erstattung der außergerichtlichen Kosten. Doch damit biss sie beim Sozialgericht auf Granit.

Sozialgericht wirft Betroffener Mutwilligkeit vor

Obwohl der Vorgang eigentlich „glasklar“ war und das Jobcenter sich nicht an Fristen gehalten hat – im Gegensatz zur Bürgergeld-Betroffenen – wurde ihre Klage vom Sozialgericht Darmstadt (Az.: S 16 AS 333/21 vom 29.12.2021) als „mutwillig“ bezeichnet. Sie hätte sich, statt gleich vor Gericht zu ziehen, auch noch einmal an das Jobcenter wenden können. Weil sie das nicht tat, warf das Sozialgericht der Frau vor, ihrer Obliegenheit zur Schadensminderung nicht nachgekommen zu sein. Motto: Ein Anwaltsschreiben mit Fristsetzung hätte es auch getan.

Klage beim Bundesverfassungsgericht

Das ließ die Frau nicht auf sich sitzen. Sie reichte Verfassungsbeschwerde ein, unter anderem, weil mit dem Urteil das Willkürverbot (Artikel 3 Absatz 1 Grundgesetz: „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.“) verletzt werde. Und sie bekam Recht.

Vorinstanz hat nicht nachvollziehbar gehandelt

Die Untätigkeitsklage sei begründet und zulässig gewesen. Bei pflichtgemäßer Ausübung des Ermessens könne eine Kostenerstattung aus Gründen der Billigkeit zwar abgelehnt werden. „Hier hat das Sozialgericht das ihm eingeräumte Ermessen mit der Ablehnung der Kostenerstattung jedoch in nicht mehr nachvollziehbarer Weise gehandhabt“, so das Bundesverfassungsgericht. Das Urteil sei nicht nachvollziehbar aus geltendem Recht abgeleitet.

Klägerin hat sich an Fristen gehalten

Überdies bestehe keine Pflicht, sich nach Ablauf der gesetzlichen Wartefrist erst noch einmal an die Behörde zu wenden und auf eine ausstehende Entscheidung aufmerksam zu machen. Dass man erst noch einmal nachfragen müsse, werde nicht vom Gesetz gestützt. Die Frau habe mit der Untätigkeitsklage ihre „formale Rechtsposition ausgenutzt“ und damit nicht gegen Grundsatz von Treu und Glauben verstoßen. Denn: Sie habe sich an die vom Gesetzgeber geregelte Frist gehalten und somit nicht treuwidrig oder gar mutwillig gehandelt.

Titelbild: Smart Calendar / shutterstock