3.657,32 Euro forderte das Jobcenter von einer hilfebedürftigen Frau zurück, nachdem ihr der Arbeitsvertrag fristlos gekündigt worden war. Sie war trotz Abmahnung mehrere Wochen unentschuldigt nicht zur Arbeit erschienen – ein Verhalten, das sowohl das Jobcenter als auch später die Sozialgerichte als sozialwidrig einstuften. Die Rückforderung der bereits gezahlten Leistungen wurde daher als rechtmäßig angesehen.
Unentschuldigtes Fernbleiben von der Arbeit
Im vorliegenden Fall war die Frau seit dem 19.04.2017 in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis als „Helferin Kunststoff und Kautschuk“ mit 35 Wochenstunden bei einem kunststoffverarbeitenden Unternehmen beschäftigt. Ab dem 27. Juni erschien sie unentschuldigt nicht mehr zur Arbeit und war auch für den Arbeitgeber nicht erreichbar. Dieser kündigte das Arbeitsverhältnis daraufhin zum 13. Juli 2017 fristlos.
Kündigung und Bürgergeld: Mögliche Folgen bei Eigenkündigung oder Entlassung
Da sie keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld hatte – Anwartschaftszeit war noch nicht erfüllt -, musste sie Bürgergeld beantragen, das ihr zunächst zur Sicherung des Existenzminimums auch bewilligt wurde.
Rückforderung des Jobcenters
Nach einem späteren Zusammenzug lebte sie ab August 2017 mit ihrem Partner in einer Bedarfsgemeinschaft, beide bezogen Grundsicherung. Einige Monate später machte dann das Jobcenter einen Ersatzanspruch gemäß § 34 SGB II geltend – wegen sozialwidrigen Verhaltens der Frau – und forderte die Leistungen für den Zeitraum von August 2017 bis Mai 2018 in einer Gesamthöhe von zunächst 5.599,12 Euro zurück.
Nach Ansicht des Jobcenters wären Leistungen in Höhe von 3.972,52 Euro in diesem Zeitraum nicht nötig gewesen, hätte die Frau ihre Arbeitsstelle nicht durch vertragswidriges Verhalten verloren. Gegen die Rückforderung erhob die Bedarfsgemeinschaft Widerspruch.
Sozialwidriges Verhalten
Das Jobcenter warf der Klägerin vor, ihre Hilfebedürftigkeit selbst verschuldet zu haben. Die fristlose Kündigung sei Folge eines grob fahrlässigen Verhaltens gewesen: Durch ihr wiederholtes unentschuldigtes Fehlen habe sie ihre Erwerbstätigkeit und damit ihre Existenzgrundlage verloren. Sie sei für den Arbeitgeber nicht mehr erreichbar gewesen und hätte sich der Konsequenzen ihres Handelns bewusst sein müssen – zumal zuvor bereits eine Abmahnung wegen Fehlens ausgesprochen worden war.
Wer nach Vollendung des 18. Lebensjahres vorsätzlich oder grob fahrlässig die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen nach diesem Buch an sich oder an Personen, die mit ihr oder ihm in einer Bedarfsgemeinschaft leben, ohne wichtigen Grund herbeigeführt hat, ist zum Ersatz der deswegen erbrachten Geld- und Sachleistungen verpflichtet.
§ 34 Abs. 1 S. 1 SGB II – Ersatzansprüche bei sozialwidrigem Verhalten
Gerichtliche Entscheidung
Das Widerspruchsverfahren mit dem Jobcenter zog sich über Jahre hin und endete schließlich vor Gericht. Das Sozialgericht Braunschweig wies die Klage der Frau gegen die Rückforderung in erster Instanz ab (S 28 AS 745/19).
Es bestätigte, dass sowohl die Kündigung als auch das damit verbundene Verhalten der Klägerin als sozialwidrig zu bewerten seien. Einen wichtigen Grund für ihr unentschuldigtes Fehlen konnte die Betroffene nicht nachweisen. Ihr Argument, sie sei nach einem Streit mit ihrem Vater obdachlos gewesen, wurde als nicht ausreichend erachtet – sie hätte den Arbeitgeber dennoch informieren müssen.
Berufung ohne Erfolg
Auch die Berufung der Klägerin änderte nichts am Ergebnis. Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen bestätigte das Urteil des Sozialgerichts und stellte klar, dass der Klägerin nach der bereits ausgesprochenen Abmahnung die möglichen Konsequenzen bewusst hätten sein müssen.
Nach teilweisen Anrechnungen erkannte das Gericht einen Ersatzanspruch in Höhe von 3.657,32 Euro als rechtmäßig an, den die Frau zurückzahlen musste. Da eine sofortige Rückzahlung nicht möglich war, stellte das Jobcenter bereits 2019 eine Aufrechnungserklärung aus: Die Forderung wurde durch einen monatlichen Einbehalt von 30 % des Regelsatzes getilgt. Auch die Aufrechnungserklärung erkannte das Gericht als rechtmäßig an (L 7 AS 458/22).
Aufgrund der grundsätzlichen Bedeutung hat das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen die Revision vor dem Bundessozialgericht zugelassen.
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