Partner in einer Bürgergeld Bedarfsgemeinschaft erhalten jeweils weniger Regelsatz als es eine alleinstehende Person tun würde. Diese Regelung aus dem SGB II besagt, dass volljährige Partner nur 90 Prozent des vollen Regelsatzes nach Regelbedarfsstufe 1 erhalten, demnach erfolgt die Bemessung nach Regelbedarfsstufe 2. Ein Ehepaar wollte die gekürzten Regelbedarfe nicht hinnehmen und klagte gegen die Einstufung ihres Regelsatzes in die Regelbedarfsstufe 2 und forderte stattdessen die Regelbedarfsstufe 1, womit sich das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg mit dieser Einstufung auseinandersetzen musste.
Mit Verweis auf die aktuelle gesetzliche Lage im SGB II sowie auf diverse Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und das Grundgesetz kam das LSG jedoch zu dem Schluss, dass eine Einstufung von volljährigen Partnern jeweils in die Regelbedarfsstufe 2 nicht verfassungswidrig sei (Az.: L 7 AS 3507/21 vom 15.12.2022).
Sachverhalt: Worum ging es?
Das klagende Ehepaar, geboren 1966 und 1967, lebt seit 2009 in einer 50 Quadratmeter großen Eigentumswohnung, die im Besitz der Klägerin ist und noch mit einem Immobilienkredit belastet ist. Seit Mai 2010 erzielen die Kläger keine Einkünfte mehr und beziehen Arbeitslosengeld II. Im Januar 2017 stellten sie erneut einen Antrag auf Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum Februar 2017 bis Januar 2018.
Hinweis: Im streitgegenständlichen Zeitraum lag der Regelsatz in der RBS 1 bei 409 Euro in 2017 und bei 416 Euro in 2018. Aktuell in 2024 beträgt der Bürgergeld Regelsatz 563 Euro.
Die zuständige Behörde bewilligte ihnen vorläufige Leistungen in Höhe von 1.294,03 EUR für die Monate Februar und Mai 2017 und 947,03 EUR für die übrigen Monate. Grundlage dieser Berechnung war die Regelbedarfsstufe 2, die einen monatlichen Regelsatz von 368 EUR pro Person vorsieht (ausgehend von 409 Euro in der RBS 1). Mehrbedarfe wurden nicht berücksichtigt. Gegen diese Bescheide legten die Kläger Widerspruch ein, jedoch ohne eine Begründung. Mit weiteren Bescheiden im August 2017 wurden die Leistungen für den Zeitraum August 2017 bis Januar 2018 festgelegt, wobei erneut die Regelbedarfsstufe 2 angewandt wurde.
Die Kläger erhoben Klage vor dem Sozialgericht Stuttgart mit dem Ziel, die Leistungen auf Basis der Regelbedarfsstufe 1 und unter Berücksichtigung von Mehrbedarfen – ohne nähere Konkretisierung – in Höhe von 50 EUR pro Person monatlich zu erhalten. Das Sozialgericht wies die Klage ab, woraufhin die Kläger Berufung beim LSG Baden-Württemberg einlegten.
LSG: Kein Anspruch auf höhere Leistungen
Das LSG Baden-Württemberg bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz weitgehend. Es entschied, dass die Kläger keinen Anspruch auf höhere Leistungen nach der Regelbedarfsstufe 1 hätten. Lediglich für den Monat Januar 2018 wurde eine Anpassung vorgenommen, da sich der Regelsatz in diesem Jahr leicht erhöht hatte.
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Begründung des Gerichts
Das Gericht stellte fest, dass nach § 20 Abs. 4 SGB II für Paare in einer Bedarfsgemeinschaft die Regelbedarfsstufe 2 gilt. Diese sieht vor, dass jeder Partner einen geringeren Regelsatz als alleinstehende Personen erhält. Die Kläger argumentierten, dass dies verfassungswidrig sei und höhere Kosten für Paare nicht ausreichend berücksichtigt würden. Dem stimmt das Gericht nicht zu und erklärte, die Regelbedarfsstufen basieren auf empirischen Daten und seien verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Zudem betonten die Richter, dass für notwendige Mehrbedarfe konkrete Nachweise für die Geltendmachung erforderlich seien.
Rechtsgrundlagen und Vorinstanzen
Die Regelbedarfsstufe 2 basiert auf der Annahme, dass durch das gemeinsame Wirtschaften in einer Bedarfsgemeinschaft Einsparungen möglich sind. Diese Regelung wurde durch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) als verfassungskonform bestätigt (BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010 – 1 BvL 1/09). Das Gericht wies darauf hin, dass der Gesetzgeber die im September 2015 veröffentlichten Daten der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) aus dem Jahr 2013 berücksichtigt habe. Demnach entstünden in Mehrpersonenhaushalten geringere Pro-Kopf-Kosten als in Einpersonenhaushalten.
Verfassungsrechtliche Überprüfung
Das BVerfG hat in seiner Rechtsprechung festgelegt, dass der Gesetzgeber bei der Festlegung der Regelbedarfsstufen einen weiten Gestaltungsspielraum hat, solange die Leistungen nicht evident unzureichend sind. Die Festsetzung der Regelbedarfsstufe 2 für Paare beruht auf empirischen Daten, die belegen, dass in Haushalten mit mehreren Personen bestimmte Ausgaben pro Kopf geringer sind. Diese Feststellung wurde durch weitere Entscheidungen des BVerfG untermauert (BVerfG, Beschluss vom 23. Juli 2014 – 1 BvL 10/12).
Das Gericht bezog sich auch auf Art. 6 Abs. 1 Grundgesetz (GG), der den besonderen Schutz von Ehe und Familie gewährleistet. Es betonte, dass der Gesetzgeber die Besonderheiten von Paarhaushalten und den damit verbundenen finanziellen Mindestbedarf angemessen berücksichtigen dürfe. Das Gericht stellte klar, dass die geringere Bemessung der Regelbedarfsstufe 2 für Paare auf der Annahme beruht, dass in einer Haushaltsgemeinschaft umfassend „aus einem Topf“ gewirtschaftet wird, was zu Einsparungen führt. Diese Praxis wurde vom BVerfG als verfassungsgemäß anerkannt (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 3. Juli 2006 – 1 BvR 2383/04).
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Mehrbedarfe zurückgewiesen
Das Gericht wies auch den Anspruch auf Mehrbedarfe zurück. Nach § 21 SGB II können Mehrbedarfe nur berücksichtigt werden, wenn sie konkret nachgewiesen sind. Die Kläger hatten jedoch keine ausreichenden Nachweise oder detaillierte Begründungen für die geforderten Mehrbedarfe vorgelegt. Allgemeine Hinweise auf gesundheitliche Ausgaben oder besondere Lebensumstände reichten dem Gericht nicht aus. Es stellte fest, dass die Kläger trotz anwaltlicher Vertretung keine konkreten Nachweise erbringen konnten, die einen höheren Bedarf belegen würden.
Revision nicht zugelassen
Gründe für die Zulassung einer Revision liegen nach Ansicht des LSG nicht vor, weshalb diese auch nicht zugelassen wurde. Die Entscheidung ist daher rechtskräftig.
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Quelle: Sozialgerichtsbarkeit.de