Armut ist längst keine Randerscheinung mehr. Sie ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen und breitet sich zunehmend aus. Das bestätigen die Zahlen des Statistischen Bundesamtes. Demnach sind aktuell 13 Millionen Menschen in Deutschland armutsgefährdet. Das gilt besonders für Arbeitslose und Rentner. Der Sozialverband Deutschland warnt davor, dass es aufgrund der hohen Lebensmittelpreise und der Gas-Krise noch viel schlimmer kommen könnte.
Was heißt armutsgefährdet?
Als armutsgefährdet gilt, wer über weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens der Gesamtbevölkerung verfügt. 2021 lag der Schwellenwert bei netto 1.251 Euro im Monat (15.009 Euro pro Jahr). Bei zwei Erwachsenen und zwei Kindern betrug der Wert 31.520 Euro (2.627 Euro monatlich).
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Statisch hat sich die Lage entspannt
Rein statistisch betrachtet, hat sich die Lage ein wenig entspannt bzw. sie bewegt sich laut Statistischem Bundesamt auf einem vergleichbaren Niveau. Während 2020 (für 2019) noch 16,1 Prozent der Bundesbürger armutsgefährdet waren, sank der Wert in der Erhebung 2021 auf 15,8 Prozent.
Hinweis: Die veröffentlichten Zahlen vom Statistischen Bundesamt sind zwar 2021 erhoben worden, basieren aber auf dem Einkommen von 2020. Nach aktuellen Angaben aus dem Mikrozensus liegt die Armutsgefährdungsquote für 2021 bei 16,6 Prozent und betrifft somit 13,8 Millionen Menschen in der Bundesrepublik.
Armutsgefährdungsquote im Vergleich zur Arbeitslosenquote
Bei der Arbeitslosenquote wird deutlich, dass diese sich seit Einführung von Hartz IV halbiert hat, wohingegen die Armutsgefährdungsquote immer weiter steigt:
Frauen besonders betroffen
Das Armutsrisiko ist bei Frauen ab 65 Jahren mit 21 Prozent besonders hoch, ebenso bei Alleinerziehenden (26,8 Prozent) und bei Familien mit drei oder mehr Kindern (23,6 Prozent). Den höchsten Wert erzielen Arbeitslose, somit auch Hartz IV Bedürftige: Hier liegt die Quote bei 47 Prozent. In den Reihen der Rentnerinnen und Rentnern ist fast jeder Fünfte (19,3 Prozent) betroffen.
#IchBinArmutsbetroffen gilt für immer mehr Menschen
Die Probleme sind hinlänglich bekannt, wie die Aktion #IchBinArmutsbetroffen auf Twitter eindrucksvoll beweist. 13 Millionen Menschen, darunter viele Hartz-IV- und Altersarmuts-Schicksale sowie Betroffene in prekären Einkommensverhältnissen, sind eine Zahl, die von der Politik nicht länger übersehen werden darf.
Situation verschlechtert sich
Das gilt besonders vor dem Hintergrund, dass hohe Lebensmittel- und Energiepreise immer mehr Haushalte überfordern. Sozialverbände rechnen damit, dass sich die Armutssituation in Deutschland in den vergangenen Monaten spürbar verschlechtert hat und mit den steigenden Heizkosten noch weiter verschlechtern wird.
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Zahlen sind dramatisch
Die Vizepräsidentin des Sozialverbandes Deutschland, Ursula Engelen-Kefer, sagte gegenüber der Berliner Morgenpost:
„Die Zahlen des Statistischen Bundesamtes zur Armutsgefährdung sind dramatisch und zeigen, dass Armut in Deutschland in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist.“
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Forderung nach zusätzlicher Entlastung
Der Sozialverband Deutschland, der VdK und andere Verbände fordern daher weitere gezielte Entlastungen für kleine und mittlere Einkommen sowie Hartz IV Bedürftige. Denn, so Ursula Engelen-Kefer:
„Insbesondere Menschen, die von Grundsicherung leben, kommen finanziell schon lange nicht mehr über die Runden. Für sie ist es bereits fünf nach zwölf.“
Pressemitteilung Statistisches Bundesamt – Nr. 327 vom 04.08.2022
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