Es scheint ein lukratives Geschäft zu sein zwischen Jobcenter und Bildungsträger, von dem beide Seiten profitieren. Im aktuellen Bericht „Weiterbildung ohne Sinn“ der Sendung ZOOM vom ZDF werden Maßnahmen Teilnehmer, Experten und Politiker zu Vermittlung & Finanzierung von Weiterbildungsmaßnahmen befragt. Die Ergebnisse sind ernüchternd und erschreckend zugleich.
Jobcenter verprasst jährlich 1 Milliarde Euro für Maßnahmen
„Mal kommt jemand rein, aber die meiste Zeit sind wir alleine. Die bekommen ihr Geld und mehr interessiert sie nicht“, erklärt Klara. Sie ist Hartz IV Empfängerin und Teilnehmerin einer „Bildungsmaßnahme“. Ihr Kurs ist ein Angebot des privaten Bildungsanbieters „Euro Schulen“. Mit deutschlandweit 120 Standorten sei dieser einer der größten Bildungsträger. Laut Arbeitsagentur bekommen die Euro Schulen pro Teilnehmer 1.900 Euro. Im Jahr 2017 ergab das eine Gesamtsumme von 1 Milliarde Euro.
Susanne Zechmeister aus Hannover musste in einer Maßnahme der Diakonie in verschimmelten Räumlichkeiten eine Murmelbahn bauen. Auf Anfrage des ZDFs lies die Diakonie Hannover schriftlich verlauten, dass diese Aufgabe wichtig sei, um die „Feinmotorik, Konzentration und Sorgfalt der Frauen und Männer zu ermitteln“. Zudem würde es sich um einen „ganz normalen Klassenraum in älterem Gebäude“handeln.
Konkurrierende Bildungsträger: Auf Preisdumping folgt Qualitätsverlust
Deutschlandweit gebe es etwa 8.000 Bildungsträger, welche um die Aufträge der Jobcenter buhlen. Doch das Preisdumping geht mit Einbußen der Maßnahmenqualität einher. Mit dem Schicksal der Hartz IV Empfängern wird Geschäft gemacht. Obwohl die Zahl der Arbeitslosen seit 2011 gesunken ist, ist die Zahl der Maßnahmen Teilnehmer immer weiter angestiegen. Aber warum fördert das Jobcenter Maßnahmen, die doch so selten in einer Anstellung münden?
Im Interview mit ZOOM erläutert Prof. Stefan Sell vom RheinAhrCampus Remagen, dass das Jobcenter vermehrt auf kurz laufende, weniger erfolgsversprechende Maßnahmen setzt, da sie kostengünstiger sind. Nur noch jeder 100. Hartz IV Empfänger bekäme demnach eine langfristige Umschulung genehmigt. Zudem hat die Qualität der Angebote stark abgenommen, da die Zahl der schwarzen Schafe unter den Anbietern mit Dumping Strategien gestiegen sei.
Betrug bei Bildungsträgern aufgedeckt
2017 schlägt schließlich auch der Bundesrechnungshof Alarm: „Die Jobcenter haben in einem erheblichen Teil der geprüften Fälle die unverzügliche Eingliederung nicht gefördert, sondern sogar gefährdet.“ Um die aktuelle Situation bei einem Bildungsträger vor Ort einzuschätzen, schleust ZOOM schließlich einen Reporter als Bewerber für einen Seminar Coach bei einem nicht genannten Bildungsträger mit versteckter Kamera ein.
Seine Gesprächspartnerin plaudert dabei ganz offen über die Trickserei bei Dokumentationen:
„Manchmal hast du was ganz anderes mit dem Teilnehmer gemacht als du eigentlich dokumentieren solltest. Dann denkst du dir nen Text aus. Da sind wir ja Profis drinne“
Außerdem gibt die Frau offen zu, dass sie Bescheinigungen für Teilnehmer ausschreibt, obwohl diese nie anwesend waren: „Was soll ich einer 50 Jährigen Frau jetzt mühevoll beibringen wo die Tasten [auf der Computer Tastatur] sind?“ Doch genau dafür, werden die Träger gezahlt.
Ex-Jobcenter Mitarbeiter bestätigt Maßnahmen Augenwischerei
Wolfgang Meier war 5 Jahre lang beim Jobcenter Bremen beschäftigt. Im ZDF Bericht erklärt er, warum er seinen Job schließlich freiwillig aufgab. Zum Ende seiner Beschäftigung sei er in ein neues Team versetzt wurden, welches Neukunden Sofortmaßnahmen aufdrücken musste – unabhängig von deren individueller Situation. Die meisten Jobcenter Mitarbeiter würden dauerhaft unter Druck stehen und Angst haben, ihren befristeten Vertrag zu verlieren, wenn Sie nicht nach den vorgegebenen Zahlen vermitteln würden. Interne Mails haben beispielsweise Anweisungen erhalten wöchentlich mindestens zwei Kunden in nicht gefüllte Kurse zu vermitteln.
Selbst das Institut für Arbeits – und Bildungs Forschung (IAB) habe bei der Untersuchung von Maßnahmen Wirkung herausbekommen, dass die meisten Maßnahmen nicht zielführend sind. Der Grund allen Übels? Schlecht investiertes Geld. Es fehle an Kontrolle, Qualität und Einzelfallanalyse.
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