So schnell wird aus eitel Sonnenschein dicke Luft: Offenbar lässt der Koalitionsvertrag der Ampelregierung sehr viel Raum für parteispezifische Interpretationen. Beim Bürgergeld, das im kommenden Jahr Hartz IV ablösen soll, heißt das: Die FPD will die Grundsicherung nicht erhöhen. Die Grünen erwarten deutlich mehr Geld und auch die SPD spricht sich für „kräftigere Leistungen“ aus.
Hartz IV muss weg
Offenbar gibt es nur noch einen gemeinsamen Nenner hinsichtlich der Grundsicherung: Hartz IV muss weg. Wie man den Nachfolger mit Namen Bürgergeld inhaltlich gestalten möchte, vor allem mit Blick auf die Leistungen, birgt jedoch sehr viel Streitpotenzial.
FDP: keine höhere Leistung
Johannes Vogel, Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP, betonte jetzt gegenüber der „Rheinischen Post“, dass die Leistungen beim Bürgergeld „einfacher, chancen- und aufstiegsorientierter“ werden sollen. Auch die neuen, besseren Hinzuverdienstregeln hebt er hervor. Aber, so seine Forderung:
„Die Regeln zur Berechnung der Regelsätze sollten wir so lassen, wie sie sind.“
Schließlich werde die Inflation bei der jährlichen Anpassung der Grundsicherung berücksichtigt und spiele dabei „ohnehin eine herausragende Rolle“.
SPD: kräftigere Leistung
Diesem Ansatz widersprechen die Aussagen von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD). Im Deutschlandfunk sprach er von deutlich kräftigeren Leistungen. Das gelte vor allem mit Blick auf die Inflation, damit Betroffene auch „mit dieser Situation […] zurechtkommen können“.
Grüne: grundlegende Änderung
Der Grünen-Fraktionsvorsitzende Andreas Audretsch verspricht eine grundlegende Reform, die auch die Höhe der Leistungen umfasse.
„Menschen müssen auch in schwierigen Situationen, etwa bei steigenden Preisen, jederzeit am Leben teilhaben können“,
so sein Argument. Dementsprechend müsse das Bürgergeld „eine dauerhafte und verlässliche Teilhabe am Leben“ ermöglichen.
Der Koalitionsvertrag
Das Problem: Im Koalitionsvertrag wird zwar auf das Bürgergeld als Hartz IV Ersatz eingegangen und erklärt, was sich alles ändern soll – etwa Gespräche auf Augenhöhe im Jobcenter. Aber: Zu den Regelsätzen findet man in dem Papier nicht einen Hinweis. Gleichwohl erklärt die FDP, dass laut Vertrag „an den Regeln zur Festsetzung der Grundsicherung nicht gerüttelt wird“.
Streit ist vorprogrammiert
Damit ist in der Regierung Streit vorprogrammiert. Und der dürfte, wie so oft, auf dem Rücken der Betroffenen ausgeführt werden. Sie müssen nachher mit dem Ergebnis der Debatte leben. Hoffnung auf Besserung hat kaum jemand – das zeigen die vielen Kommentare zu den bisherigen Bürgergeld-Bemühungen.
Würde die Politik auf das hören, was Verbände und teils auch die Wissenschaft berechnet haben, müsste der aktuelle Hartz IV Regelsatz um mindestens 33 Prozent angehoben werden, wenn die empfohlenen 600 Euro erreicht werden sollen.
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