Leben Kinder in einem Haushalt mit Hartz IV Bezug und sind schulpflichtig, so muss das Jobcenter die Kosten für Schulbücher erstatten. Nach Ansicht des Sozialgerichts liegt hier ein Anspruch auf Mehrbedarf gemäß § 21 Abs. 6 SGB II vor.
Im zugrunde liegendem Sachverhalt leben beide schulpflichtigen Kinder in einem Haushalt, der im Hartz IV Bezug steht. Im August des vergangenen Jahres stellten die Gymnasiasten einen Antrag auf Übernahme der Kosten in Höhe von 470,90 Euro (je Schulkind 235,45 Euro) für die Neuanschaffung von Schulbücher beim Jobcenter. Eine Ausleihe oder ein Gebrauchtkauf der Lehrmittel war nicht möglich.
Der Leistungsträger bewilligte jedoch nur zunächst jeweils 30 Euro und später noch weitere 70 Euro je Kind, wie es vom Schulbedarfspaket vorgesehen sei. Das Jobcenter argumentierte, die Anschaffung der Bücher sei planbar gewesen und so hätte dieses Geld auch aus dem Hartz IV Regelsatz angespart werden können. Nachdem der Widerspruch gegen die Entscheidung des Jobcenters erfolglos blieb, reichten die beiden Schüler Klage beim Sozialgericht Hildesheim ein.
Jobcenter muss Kosten für Schulbücher erstatten
Das Gericht entschied zu Gunsten der beiden Schüler. Nach Meinung der Sozialrichter handle es sich bei der Kostenerstattung für die Schulbücher um einen unabweisbaren, laufenden und nicht nur einmaligen besonderen Bedarf, der einen Anspruch nach § 21 Abs. 6 SGB II begründet.
Grundsätzlich müssten zwar Mittel zur privaten Lebensführung aus dem Hartz IV Regelsatz angespart werden. Aber in diesem Fall sei es den beiden Schülern nicht möglich, diese Kosten anzusparen (monatlich sieht der Regelbedarf einen Anteil von 1,39 Euro für Bildung vor) und unzumutbar, auch unter dem Gesichtspunkt, dass solche Anschaffungen gegebenenfalls mehrmals jährlich getätigt werden müssen.
Mit seiner Entscheidung bezog sich das Sozialgericht Hildesheim auch auf die Ansicht des Bundesverfassungsgerichts. Nach dieser müssen Schulbücher für im Hartz IV Bezug stehende Kinder und Jugendliche übernehmen, denn der Grundsicherungsträger müsse grundsätzlich alle Kosten tragen, die mit dem Schulbesuch einhergehen. So gehören alle notwendigen Kosten zur Erfüllung der Schulpflicht zum existenziellen Bedarf. Würden diese nicht vom Jobcenter übernommen, drohe hilfebedürftigen Kindern der „Ausschluss von Lebenschancen“, da der erfolgreiche Schulabschluss gefährdet sei. Daher müsse der Mehrbedarf anerkannt werden, sofern es sich im Einzelfall um einen unabweisbaren, laufenden und nicht nur einmaligen Bedarf handle.
Das Sozialgericht Hildesheim stellte klar, dass in Bundesländern, in denen keine Lehrmittelfreiheit bestehe, die Kosten für Schulbücher einen besonderen Bedarf darstellen.
Sozialgericht Hildesheim – Az.: S 37 AS 1175/15 – vom 22.12.2015