Wenn man Kindern sagt, es gibt kein Eis, ist das eine erzieherische Maßnahme. Wenn man aber Erwachsenen vorschreibt, was sie kaufen dürfen, ist das schlichtweg Bevormundung. Für einige – nicht alle – Hartz-IV-Empfänger gehört das zum bitteren Alltag. Dass sie dabei, im übertragenen Sinne, auch noch die Hosen herunterlassen müssen, macht die Praxis der Lebensmittelgutscheine gewiss nicht besser.
Beschämende Situation
Auf das Problem macht aktuell der „Merkur“ aufmerksam. Eine Sozialpädagogin aus der Wohnungslosenhilfe berichtet über ihre Erfahrungen zum Thema Lebensmittelgutscheine vom Jobcenter. Anlass war, dass einer ihrer Klienten mit einem solchen Gutschein an der Supermarktkasse abgelehnt wurde. Ein Unding, zumal fast alle großen Ketten unisono erklären, die Gutscheine „in Abstimmung mit dem jeweils ausgebenden Jobcenter“ einzulösen.
Das ändert allerdings nichts daran, wie beschämend die Situation für die Betroffenen ist. Kennen sich die Kassierer nicht mit den Gutscheinen aus, wird offen und für jeden Kunden ersichtlich darüber gesprochen. „Ich wäre am liebsten im Boden versunken“, gesteht selbst die gestandene Sozialpädagogin. Sie war mit Jugendlichen einkaufen und weiß spätestens seit diesem Erlebnis, dass Scham für Hartz IV Empfänger ein Thema ist.
Kein selbstbestimmtes Leben
Doch es gibt noch weit mehr Schwachstellen im Gutschein-System. „Man muss eigentlich mit dem Taschenrechner durch den Supermarkt gehen“, so die Beraterin. Denn Wechselgeld gibt es nicht. Wer seinen Lebensmittelgutschein nicht optimal ausnutzt, verschenkt bares Geld. Denn die Gutscheine sind lediglich ein Vorschuss und werden auf die nächste Zahlung des Arbeitslosengelds II angerechnet. Und: Alkohol sowie Tabak sind tabu. Sie dürfen mit den Gutscheinen vom Jobcenter nicht gekauft werden.
„Damit nimmt man den Menschen die Freiheit und einen Teil ihrer Würde. Darf in unserer Gesellschaft nur derjenige selbstbestimmt leben, der Geld hat?“ Damit stellt die Sozialpädagogin eine berechtigte Frage. Ausgestellt werden die Lebensmittelgutscheine übrigens, wenn die Leistungen für Hartz IV Empfänger aufgrund von Sanktionen um mehr als 60 Prozent gekürzt werden. Die Coupons sollen sicherstellen, dass man zumindest Lebensmittel kaufen kann. Da wäre es dann wieder: das leidige Thema Sanktionen.